Am Sonntag wickelte sich ein Mann in der Berner Justizvollzugsanstalt Thorberg mit Papier ein und zündete sich an. «Das Feuer konnte sofort erstickt werden. Der Gefangene hat sich leichte Brandwunden zugezogen und wurde umgehend ins Spital verlegt», sagt Olivier Aebischer, Sprecher des Amts für Justizvollzug Kanton Bern, zu «20 Minuten».
Wie ein langjähriger Thorberg-Insasse der Gratiszeitung sagt, sei es ein Akt der Verzweiflung gewesen. Erst vor wenigen Tagen hätten sich die Insassen mit einem Brief an die Gefängnisdirektion gewandt und bessere Haftbedingungen gefordert – das Dokument wurde von 80 Personen unterschrieben. «Der psychische Druck ist für viele von uns nicht mehr auszuhalten. Er stieg in den letzten Monaten enorm.»
«Müssen uns nackt ausziehen»
Die Häftlinge fordern beispielsweise bessere psychische Betreuung. Zudem würden die Leibesvisitationen zu oft durchgeführt und seien menschenunwürdig. «Bei jeder Zellenkontrolle oder wenn wir Besuch erhalten haben, müssen wir uns nackt ausziehen. Nicht selten müssen wir uns auch bücken», sagt der langjährige Häftling zu «20 Minuten». Vor allem nach Besuch hätten die Häftlinge für die Leibesvisitation kein Verständnis. Wegen Corona sehen sie ihre Angehörigen nur durch eine Scheibe.
Laut Aebischer gehören Leibesvisitationen in einer geschlossenen Justizvollzugsanstalt zum Sicherheitskonzept. Im Gefängnis sind auch Schwerverbrecher untergebracht. Die Durchsuchungen würden jedoch unter Wahrung der Intimsphäre gemäss europäischen Standards durchgeführt, sagt er.
Gefängnis seither nicht mehr inspiziert
Mit solchen Praktiken befasst sich beispielsweise auch die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF). Diese beurteilte die Situation im Thorberg 2018. Damals hielt die NVKF in einem Bericht fest, dass die Leibesvisitation in zwei Phasen in der Hausordnung vermerkt werden solle. Dies, damit sich Gefangene nicht völlig entblössen müssen.
Im Bericht wurde damals auch erwähnt, dass diese Praxis bereits «weitgehend» so umgesetzt werde. Wie es momentan im Thorberg aussieht, weiss man bei der NKVF aber nicht – das Gefängnis wurde seit der letzten Beurteilung nicht mehr inspiziert. (bra)