Vor fast genau einem Jahr endet im Berner Schönbergquartier ein Polizeieinsatz tödlich. Nach einer «akut bedrohlichen Situation» für die ausgerückten Einsatzkräfte erschiesst ein Polizist Reto V.* (†36) in dessen Elternhaus (BLICK berichtete).
Für den Beamten, der die tödlichen Schüsse abgegeben hatte, bleibt der Vorfall ohne juristischen Konsequenzen. Für die Staatsanwaltschaft ist klar, dass es sich bei dem Vorgehen um Notwehr gehandelt hatte. Der Polizist muss sich darum nicht vor Gericht verantworten. Das berichtet die «Berner Zeitung».
Vater von Reto V. nimmt Polizisten in Empfang
Reto V. war am 17. Juli aus einer psychiatrischen Klinik geflüchtet. Eine Suchaktion der Polizei endete schliesslich am frühen Abend am Berner Kuhnweg.
Details aus den Unterlagen zum tödlichen Einsatz zeigen nun, wie es zur Schussabgabe durch den Polizisten kommen konnte: Vor Ort wird die damals ausgerückte Zweierpatrouille zunächst von Daniel V.*, dem Vater von Reto V., empfangen. Daniel V. flüstert den Polizisten zu, dass es seinem Sohn sehr schlecht gehe. Dann ruft er Reto vom oberen Stock des Hauses nach unten zum Eingang.
Armee-Pistole aus der Schublade
Zuerst scheint es, als könne Reto V. ohne weitere Massnahmen zurück in die Psychiatrie gebracht werden. V. geht nochmals zurück in ein Zimmer im oberen Stock, sein Vater und die Einsatzkräfte folgen ihm. Dann ändert sich die Lage schlagartig.
Aus der Schublade einer Kommode zieht Reto V. plötzlich eine Pistole und führt eine Ladebewegung aus. Einer der Polizisten eilt sofort nach unten und verlangt über Funk Verstärkung. Zusammen mit dem Vater rennt der andere Polizist in ein anderes Zimmer und geht in Deckung.
Vater des Getöteten zeigt Verständnis
Auf mehrmalige Aufforderungen, die Waffe fallen zu lassen, reagiert Reto V. nicht. Kurz darauf drückt der eine Polizist ab. Insgesamt vier Mal schiesst er auf den Oberkörper von V., der sofort zusammensackt.
Dass der Einsatz so abgelaufen ist, bestätigt auch Daniel V. Bei den Abklärungen zu dem Vorfall gab der Vater auch zu Protokoll, dass er den Polizisten, der seinen Sohn erschossen hatte, verstehen könne. Dieser habe so handeln müssen.
Polizist erhält Entschädigung
Bei der Pistole, mit der Reto V. plötzlich die Polizisten bedroht hatte, handelt es sich um die Armee-Waffe des Vaters. Er habe seine Dienstwaffe in der Kommode gelagert, um sie «in Griffnähe» zu haben, sagte Daniel V. den Ermittlern. Zwei Patronen seien jeweils im Magazin abgespitzt, die Pistole gesichert gewesen, so V.
Da alle Beteiligten die Situation im Reiheneinfamilienhaus in etwa gleich schilderten, stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren wegen vorsätzlicher Tötung nun ein. Die Verfahrenskosten muss der Kanton Bern übernehmen. Dazu gehört auch eine Aufwandsentschädigung für den beschuldigten Polizisten in Höhe von rund 7000 Franken. (cat)
* Name bekannt