«Behandlung im schlimmsten Fall unmöglich»
Klebsiella-Keime breiten sich auch in der Schweiz aus

Antibiotika rettet Leben – doch jede Einnahme führt potenziell zur Entstehung neuer resistenter Bakterien. Das BAG warnt: «In den letzten Jahren wurden sie vermehrt in der Schweiz nachgewiesen.» Die stille Pandemie ist eine globale Herausforderung.
Publiziert: 01.12.2023 um 12:25 Uhr
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Aktualisiert: 02.12.2023 um 12:20 Uhr
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Die steigende Antibiotikaresistenz ist eine Gefahr für die Menschen.
Foto: Shutterstock
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Jenny WagnerRedaktorin News

In Europa sind Klebsiella-Keime auf dem Vormarsch. Es ist die Rede von einer «stillen Pandemie» – und die ist gefährlich. Die Bakterien können Krankheiten wie Lungen-, Blasen- und Mittelohrentzündungen auslösen, aber da Klebsiella-Keime resistent sind, lassen sich die Infektionen nicht mit Antibiotika behandeln. Allein in der EU sterben geschätzt 33'000 Menschen jährlich an den Folgen der Antibiotikaresistenz.

Klebsiella-Keime gehören zu den Carbapenemase-produzierenden Enterobakterien (CPE). Auf Anfrage von Blick sagt das Bundesamt für Gesundheit (BAG): «CPE wurden in der Schweiz in den letzten Jahren vermehrt nachgewiesen.» Besonders die Bakterien Klebsiella pneumoniae seien im Umlauf. Bei gesunden Menschen sei das Bakterium in der Regel keine Gefahr. «In bestimmten Fällen kann es jedoch schwere Infektionen wie Lungenentzündungen oder Blutvergiftungen bei Neugeborenen auslösen, die mit einer erhöhten Sterblichkeit einhergehen», so das BAG.

Seit dem 1. Januar 2016 besteht eine Meldepflicht für CPE, denn die Bakterien sind ein ernsthaftes Problem für die öffentliche Gesundheit. «Solche Krankheitserreger können die Behandlung einer Infektion erschweren, verlängern oder im schlimmsten Fall sogar verunmöglichen», erklärt das BAG.

Jede Anwendung kann zu neuen CPE führen

Das BAG warnt: «Jede Anwendung von Antibiotika trägt potenziell zur Entstehung und Verbreitung resistenter Bakterien bei.» Einerseits sind Antibiotika also unverzichtbar, besonders für Menschen, die operiert werden oder ein schwaches Immunsystem haben, andererseits sollte man auf die Einnahme, wenn möglich, verzichten.

Laut dem BAG ist die Behandlung von CPE sehr schwierig. «Je nach Resistenzprofil gibt es einzelne, teilweise neue Antibiotika, die noch wirken», heisst es. Der Haken: «Die Behandlung ist aufwendig und teurer.»

Entwicklung neuer Antibiotika finanziell nicht rentabel

Auch die Entwicklung neuer Antibiotika stockt. Obwohl sie resistente Bakterien bekämpfen können, steigt mit jeder Einnahme die Gefahr, dass neue CPE entstehen – ein Teufelskreis. Heisst auch: Für die Pharmaindustrie würde es sich nur bedingt lohnen, viel Geld in die Entwicklung eines Medikaments zu stecken, das so selten wie möglich verschrieben werden soll. 

Ökonom Hans Gersbach von der ETH Zürich arbeitet deshalb an einer Lösung, damit die Forschung für neue Antibiotika wieder stärker in Gang kommt. «Damit die Entwicklung neuer Antibiotika für Unternehmen finanzierbar wird, braucht es ökonomische Anreize und eine enge internationale Zusammenarbeit», schlussfolgern er und Prof. Dr. Lucas Böttcher in einer Mitteilung der Konjunkturforschungsstelle (KOF). 

Das BAG appelliert, Antibiotika sachgemäss zu verordnen. Schweizer Hausärzte verschreiben im Vergleich zu anderen Ländern sehr viel weniger Antibiotika. Die Antibiotikaresistenz ist allerdings ein globales Problem, denn die Bakterien verbreiten sich über die Landesgrenzen hinaus. Unsachgemässe Verwendung von Antibiotika im Ausland führt auch zur Vermehrung von CPE in der Schweiz. 

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