Insassin beging Suizid
Freispruch für alle vier Gefängniswärter

Drei Aufseher und eine Aufseherin des Basler Untersuchungsgefängnisses Waaghof sind vom Basler Strafgericht trotz unterlassener Hilfeleistungen nach einem Suizid einer Insassin vom Anklagepunkt der fahrlässigen Tötung freigesprochen worden.
Publiziert: 27.08.2021 um 12:50 Uhr
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Seit Dienstag sassen drei Gefängnisaufseher und eine Aufseherin am Basler Strafgericht auf der Anklagebank. Der Vorwurf lautet auf fahrlässige Tötung durch unterlassene Hilfeleistung.
Céline Trachsel

Die Staatsanwaltschaft hatte für die drei männlichen Aufseher bedingte Haftstrafen zwischen sieben und neun Monate beantragt. Für die Aufseherin hatte sie eine bedingte Geldstrafe gefordert. Das Gericht sprach alle vier Gefängnismitarbeitenden im Anklagepunt der fahrlässigen Tötung frei, aber nicht von jeglicher Schuld. Es sprach von einer Verletzung der Sorgfaltspflicht.

Die Aufseherin und die Aufseher hatten es verpasst, den Tod einer abgewiesenen Asylbewerberin (†29) zu verhindern. Der Fall ereignete sich im Juni 2018 im Untersuchungsgefängnis Waaghof in Basel. Das Opfer, eine Frau aus Sri Lanka, befand sich in Ausschaffungshaft, kam wegen ihres auffälligen Verhaltens «zu ihrer eigenen Sicherheit und Überwachung des Gesundheitszustandes» in eine videoüberwachte Zelle. Dort entledigte sie sich ihres Traineroberteils und strangulierte sich damit.

Vier Minuten lang merkte es der Wärter vor den Monitoren nicht. Nach sieben Minuten kamen sie in die Zelle und schnitten den Strang auf. Doch kein Aufseher näherte sich der Frau, obwohl sie sich in «unnatürlicher Körperposition» befand. Die ersten Reanimationsversuche erfolgten nach 18 Minuten.

«Sie haben einfach das Falsche getan»

Der Richter fand trotz Freispruch ungewöhnlich scharfe Worte: «Es wäre ihnen als Aufseher zumutbar gewesen, dass sie anders gehandelt hätten. Sie hatten keine Stresssituation, denn sie haben überlegt gehandelt. Aber sie haben einfach das Falsche getan.»

Insbesondere hätten sie als Berufsleute ihre Sorgfaltspflicht verletzt. «Der Staat muss Suizide der Insassen verhindern und Sie als Aufseher haben diese Pflicht, das umzusetzen. Sie müssen schauen, dass es den Insassen gut geht und wenn nicht, dass Sie Massnahmen ergreifen.» Der Richter nannte die unterlassenen Hilfeleistungen «banale Ersthelfermassnahmen, die man erwarten kann». «In Seitenlage hat man sie gar nicht gebracht und medizinische Hilfe wurde erst geholt, als sie schon 13 Minuten lang bewegungslos und nackt auf dem Boden lag.»

Richter: «Es ist krass, dass sie die Frau einfach so liegen liessen»

Die Ausrede, dass die vier Aufseher dachten, die Frau spiele ihre Bewusstlosigkeit nur vor, liess der Richter nicht gelten. «In dieser unnatürlichen Position liegend kann man nicht davon ausgehen, dass die Frau das vorspielt. Und von der Strangulation wussten sie ja, denn schliesslich mussten Sie sie ja vom Strang schneiden. In so einer Situation muss man den Gedanken haben, dass die Frau bewusstlos ist. Wenn man sorgfältig handelt, muss man nach ihr sehen.»

Der Richter kommt zum Schluss: «Es ist krass, dass Sie die Frau einfach so liegengelassen haben.» Das Überwachungsvideo aus der Zelle zeige dies eindrücklich.

Nicht beweisbar, ob sie wegen Unterlassung gestorben ist

Zu einem Schuldspruch wegen fahrlässiger Tötung reichte es dennoch nicht. Denn hierzu hätte bewiesen sein müssen, dass die Untätigkeit der Aufseher zum Tod der Frau geführt hatte. Das Problem: Laut Rechtsmediziner hätte die Frau auch sterben können, wenn alle Beteiligten sofort alles richtig gemacht hätten.

Der Richter: «Es gibt zwei Ursachen für den Tod: Die Strangulation und das Ersticken. Juristisch wichtig ist die Frage, ob sie überlebt hätte oder gestorben wäre, wenn man sie nach dem Abschneiden des Strangs sofort in Seitenlage und ins Spital gebracht hätte. Und das lässt sich nicht mit Sicherheit sagen.» (SDA/ct)

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