Eskalierende Konflikte im Gang, Beleidigungen gegen Lehrpersonen und die Jonglage der unterschiedlichsten Lernbedürfnisse. Während mehrerer Wochen wurden die Lehrpersonen der Thomas-Platter- und Wettstein-Schulen vom «SRF Reporter» begleitet. An den Schulen werden alle Schüler akzeptiert, wie sie sind - ob sie dabei über Beeinträchtigungen oder Lernschwächen verfügen, ist unerheblich. Das Fazit der Dokumentation: Die Integration in die Regelschule ist voller Chancen, bringt aber auch Schwierigkeiten mit sich.
Corina Büsch ist Lehrerin einer vierten Klasse in Kleinbasel. Sie berichtet dem SRF-Reporter von einem einschneidenden Vorfall in ihrem Klassenzimmer: Eines Morgens prangten an der Wandtafel ihres Klassenzimmers üble Hassbotschaften. Ausserdem spuckte ihr jemand in ihre Sachen. Hinzu kommt: Büsch hat an diesem Tag Geburtstag und wird gleichzeitig von ihren Schülerinnen und Schülern mit Konfetti und einem Geburtstagslied überrascht. «Es ist schockierend, dass das von einem 10-Jährigen, 11-Jährigen kommt. Es zeigt für mich, dass gewisse Kinder einfach nicht zurechtkommen.» Sie könne den Vorfall gut einordnen, nehme es deshalb auch nicht persönlich.
Sandra Maître unterrichtet derzeit eine zweite Klasse. Die Unterschiede zwischen den 18 Schülerinnen und Schülern seien enorm. «Die Schere zwischen den Kindern ist sehr breit», sagt Maître zu SRF. Einige Kinder seien lernschwach, andere gingen in die Begabtenförderung. An den Schulen versucht man sich gegenseitig zu unterstützen. Denn: Viele Lehrpersonen würden mit ähnlichen Problemen kämpfen.
«Wir wollen Integration und Inklusion, aber ich kann das nicht alleine leisten»
2011 kam es in der Schweiz zu einem Systemwechsel in der Volksschule. Spezialangebote und Sonderschulen sollten der Vergangenheit angehören. Der Kanton Basel-Stadt nimmt dabei eine Vorreiterrolle ein.
Maître würde gerne allen Kindern die Unterstützung bieten, die sie brauchen. «Das ist jedoch schlicht nicht machbar», erklärt die Lehrerin. Sie betont: «Wir wollen Integration und Inklusion, aber ich kann das nicht alleine leisten.» Die Baslerin wandte sich daraufhin an die Schulleitung. Diese nahm ihren Hilferuf ernst. Eine zweite Lehrerin unterstützt die Klasse jetzt bei der Bewältigung ihres Alltags. Mit vielen Gesprächen und Ausprobieren verschiedenster Methoden wird versucht, für jeden Schüler das beste Umfeld zu schaffen. Ein enormer Aufwand.
Prozesse brauchen Zeit
Auch Markus Harzenmoser bereitet die derzeitige Entwicklung Sorge: «Es gibt mehr Kinder, die keine Frusttoleranz mehr haben.» Die Kinder seien teilweise weniger belastbar und selbstständig. Harzenmoser will sich für die zukünftige Generation der Lehrerinnen und Lehrern einsetzen. Das bedeutet für ihn zwar nicht das Ende der integrativen Schule. Jedoch müsse wieder mehr Separationsmöglichkeiten geben.
Das Erziehungsdepartement des Kantons Basel-Stadt sagt gegenüber «SRF», dass es bei einem Wechsel im Schulsystem immer grosse Sorgfalt und Zeit braucht. «Wenn man am Schulsystem etwas verändert, macht man etwas, das Generationen beeinflussen kann. Deshalb muss dies sorgfältig gemacht werden», sagt Erziehungsdirektor Conrad Cramer. Man sei sich der Herausforderungen des «integrativen Schulmodells» bewusst. Der Kanton habe bereits erste Massnahmen eingeleitet. Es soll wieder mehr separiert werden. (ene)