Es war ein normaler Tag für Marco F.* (32) aus Basel. Mit seinem Dienstwagen legt er im April 2021 seinen üblichen Arbeitsweg zurück. Drei Monate später folgt eine böse Überraschung: Eine Busse flattert rein. 100 Franken muss F. berappen. Der Vorwurf: Er habe beim Verlassen eines Kreisels nicht geblinkt.
Als F. die Busse bekam, war er überrascht: «Das ist eine falsche Unterstellung. Ich blinke grundsätzlich bei jeder Richtungsänderung.» Dass er erst mit drei Monaten Verzögerung vom mutmasslichen Vergehen erfährt, verdutzt ihn zusätzlich.
Polizist im Busch
Der Basler wehrt sich per Mail bei der Kantonspolizei. Lange passiert nichts. Drei Monate später habe ihn der zuständige Beamte angerufen. «Er war mir gegenüber hochnäsig und trotzköpfig», erzählt F. Die Busse werde nicht zurückgezogen. «Er nannte mir zwei Gründe: Ihm passe der Ton meines Mails nicht, und seine Bussen seien immer fair. Daran gebe es nichts zu rütteln.»
Doch F. verlangt einen Beweis. «Der Polizist sei allein hinter einem Busch gewesen und habe mich gesehen, sagte man mir. Das soll als Beweis reichen.»
Von Staatsanwaltschaft ignoriert
Marco F. ist fassungslos: «Das ist einfach nur frech. Ich weiss nicht, was das für ein Rechtssystem sein soll, das Unschuldige ohne konkreten Beweis verurteilt.»
F. zahlte nicht. Schliesslich schaltete sich die Staatsanwaltschaft mit einem Strafbefehl ein. Erneut sucht F. den Kontakt: «Ich habe der Staatsanwaltschaft ein Mail geschrieben. Keine Reaktion. Dann habe ich es wieder und wieder versucht. Am Schluss waren es vier Mails, die unbeantwortet blieben.» Drei Monate später kommt ein Brief zurück: Man gewähre eine Fristverlängerung – auf seine Aussagen ging man nicht ein. «Das ist doch lächerlich», sagt F.
Eigentlich gilt das Vier-Augen-Prinzip
Auf Blick-Nachfrage möchten weder Polizei noch Staatsanwaltschaft zum Fall Stellung nehmen, da es sich um ein laufendes Verfahren handle. Die Polizei hält aber fest, dass Ordnungsbussen nach dem Vier-Augen-Prinzip ausgestellt werden. Das bedeutet, dass zwei Beamte die Übertretung beobachtet haben. Es gebe aber Ausnahmen: «Eine Ordnungsbusse kann auch ausgestellt werden, wenn die Übertretung nicht durch zwei Mitarbeitende beobachtet wurde.»
Weil Ordnungsbussen im vereinfachten Strafverfahren abgewickelt werden, seien «keine Einsprachemöglichkeiten vorgesehen». Erst bei einem ordentlichen Verfahren gehe das. Darauf sei man vorbereitet: Die Polizei stelle nur Bussen aus, wenn sie von Beamten vor Gericht bezeugt werden können.
Die Staatsanwaltschaft hält auf Anfrage fest, dass die Beobachtung eines Polizisten als Beweis dienen könne: «Weitere Beweise sind grundsätzlich nicht erforderlich.» Wer sich wehren will, müsse dies per Post tun. «Eingaben per gewöhnlichem Mail sind ungültig.» Aus Kulanz beantworte man grundsätzlich aber trotzdem Mails.
Knast absitzen – statt Kohle berappen
Kürzlich bekam Marco F. Post: die zweite Mahnung. Nun verlangen die Behörden knapp 350 Franken. Ums Geld geht es F. nicht. «Die Busse hätte mir nicht wehgetan. Wenn ich schuldig wäre, hätte ich sie sofort bezahlt.» Als Unschuldiger werde er aber bestimmt nicht zahlen.
Auch fast zwei Jahre nach dem angeblichen Kreisel-Vorfall dauert der Zoff um die Gaga-Busse also an. Falls er weiterhin nicht zahlt, drohen F. ein Betreibungsverfahren und – wenn die Geldstrafe nicht beglichen wird – eine eintägige Haftstrafe. «Lieber gehe ich ins Gefängnis, als dass ich zahle.»
* Name bekannt