Der Besuch beim Coiffeur und die bevorstehende Stilauffrischung lösen bei den meisten Vorfreude aus. Aber nicht bei Gaby (13). Die Lama-Dame wollte ihre Wolle nicht hergeben – und büxte beim Scher-Termin vor zwei Wochen kurzerhand aus. Seitdem versucht Peter Staub (67), sie einzufangen. Blick war dabei, als der Präsident des Gönnervereins Tierpark Waldgrotte am Wochenende zum wiederholten Mal auf Lama-Fang in Buus BL ging.
Mit Betäubungsgewehr und einem Lasso bewaffnet machen sich Staub und Tierpflegerin Katinka Moraia (60) Richtung nahe gelegene Hochebene auf. Hier hat Gaby Unterschlupf bei einer Gruppe junger Alpaka-Hengste gefunden. «Dort hat sie sich wohl verliebt», vermutet Tierpark-Präsident Staub. «Die Tiere schmusen.»
Nach Hause will Gaby nicht mehr. Zuerst hatte Staub es mit gut zureden versucht. Als das nichts nützte, fuhr er schwerere Geschütze auf – doch weil Gaby nicht geschoren ist, drang keiner der Betäubungspfeile tief genug in ihre Haut ein.
«Sie lacht mich aus»
Die Tierpflegerin klettert über den Zaun und mischt sich unter die weidenden Alpakas. Von Gaby keine Spur. «Sie spielt mit uns, sie lacht mich aus», ist Staub überzeugt. «Sie hat hier einen Ort mit Fluchtmöglichkeiten in alle vier Richtungen gefunden.» Das Duo trennt sich. Staub sucht mit dem Auto, Moraia geht zu Fuss. «Da hinten liegt sie», ruft die Tierpflegerin plötzlich. Gaby hat es sich auf einer weiten Wiese bequem gemacht. «Ich hole das Gewehr», schreit Staub zurück.
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Seit neun Jahren lebt Gaby im Tierpark in Buus. Unbekannte hatten sie zusammen mit einem anderen Lama ins Gehege der Hirsche gebracht. Nicht ungewöhnlich, sagt Staub. «Bei uns liefert immer wieder jemand Tiere ab.»
Die lauten Rufe der Menschen haben Gaby aufgeschreckt. Das Lama erhebt sich, galoppiert und bleibt zehn Meter vor dem Blick-Fotografen stehen. Wie ein Pfau plustert sich das Tier auf – und blickt direkt in die Linse der Kamera.
Die letzte Munition
Staub bereitet das Gewehr vor. Dreimal hat er Gaby bereits getroffen. Genützt hat es durch ihr dickes Fell nichts. Heute soll das anders sein. Der Präsident des Tierparks legt sich ins hohe Gras, setzt den Gewehrkolben an die Schulter – und nimmt Gaby ins Visier. Er drückt ab. Es zischt. Ein erstes Mal. Ein zweites Mal. Ein drittes Mal. Doch stets verfehlen die Geschosse ihr Ziel.
Es war seine letzte Munition. Staub zückt das Telefon und bestellt 30 zusätzliche Pfeile. Sie sei ein schlaues Tier, meint er. Und von allein komme Gaby kaum zurück. Es ist bald Mittag, drei weitere Jagdstunden sind erfolglos verstrichen. Staub gönnt sich eine Pause. «Ein weiter Sieg für Gaby», sagt er. Er nimmt es mit Humor: «Siege soll man feiern», sagt er – und zündet sich eine Zigarre an.