«Ich habe nicht aufgepasst»
Baselbieter Senior entschuldigt sich bei LKW-Fahrer und stirbt

Ein Bosnier aus dem Kanton Schwyz überfuhr vor zwei Jahren in Liestal BL einen Fussgänger. Der Senior starb kurz darauf. Nun kam der Camion-Fahrer vor Gericht und berichtete, wie sich der Schwerverletzte bei ihm entschuldigt haben soll.
Publiziert: 23.08.2022 um 12:57 Uhr
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Aktualisiert: 23.08.2022 um 16:22 Uhr
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Fahrlässig gehandelt: Die Ermittlungsbehörden verfügten über zahlreiche Beweise gegen den LKW-Fahrer (Symbolbild).
Foto: keystone-sda.ch

Der tragische Unfall passierte an einem verregneten Morgen im Juni 2020. Ein Bosnier (32) aus dem Kanton Schwyz, damals Angestellter einer Sicherheitsfirma, wollte mit seinem LKW bei einer Bank in Liestal BL Akten zur Vernichtung abholen. Die Filiale befindet sich in der Begegnungszone an der Rathausstrasse. Der LKW-Fahrer war nicht zum ersten Mal dort. Er erledigte den Auftrag regelmässig seit gut einem Jahr.

Er fuhr dazu jeweils rückwärts in die Rathausstrasse. Doch dieses Mal übersah er dabei einen Fussgänger (†97), der mit Rollator und Regenschirm unterwegs war.

Der Rentner wurde vom LKW im Rückwärtsgang erfasst und schwer verletzt. Drei Tage später verstarb der 97-Jährige im Spital an einer Lungenfettembolie. Am Montag musste sich der Fahrer nun vor dem Baselbieter Strafgericht in Muttenz wegen fahrlässiger Tötung verantworten, wie die «Basler Zeitung» berichtet.

Gericht macht Sorgfaltspflicht geltend

Er habe unmittelbar nach der Kollision mit dem Unfallopfer geredet, gab der LKW-Fahrer zu Protokoll. Der Bosnier habe den Mann in den Arm genommen und seine Jacke über ihn gelegt. «Machen Sie sich keinen Vorwurf», soll der Verletzte gesagt haben. «Ich habe nicht aufgepasst.»

Der Senior hatte Teile der Beckenknochen und der Extremitäten, Rippen auf beiden Seiten sowie die Halswirbelsäule gebrochen. Für das Gericht war klar: Der LKW-Fahrer hatte fahrlässig gehandelt und seine Sorgfaltspflicht verletzt. Denn er hätte vorwärtsfahren müssen. Das Wenden wäre auch so möglich gewesen. Zudem hätte er langsamer fahren, eine Hilfsperson beiziehen und den Vortritt von Fussgängern besser beachten müssen.

Video zeigt ganzen Vorgang

Der LKW-Fahrer machte geltend, dass der Platz oft durch andere Zulieferer belegt sei. Zudem würden Hindernisse wie Storen und Stühle zu wenig Raum zum Wenden lassen. Es sei ihm bewusst gewesen, dass die Sichtverhältnisse an diesem Tag wegen des Regenwetters schlecht waren. Er habe deshalb einen oder mehrere Passanten um Hilfe bei seinem geplanten Manöver gebeten. Weil sich aber niemand dafür zur Verfügung gestellt habe, sei er auf eigene Faust losgefahren. «Alle Passanten hatten Stress, und es regnete. Zudem arbeiten wir im Transportwesen immer unter Zeitdruck», sagte der 32-Jährige.

Grundsätzlich gestand der Beschuldigte den in der Anklage geschilderten Sachverhalt jedoch ein. Schliesslich mangelte es der Staatsanwaltschaft auch nicht an Beweisen: Neben den Rapporten und Berichten der Polizei sowie der rechtsmedizinischen Untersuchungen verfügten die Ermittlungsbehörden auch über eine Auswertung seines Tachos und über Videomaterial, welches das ganze Unfallgeschehen zeigt.

Bedingte Geldstrafe, Verfahrenskosten

Die Staatsanwaltschaft forderte eine bedingte Freiheitsstrafe von acht Monaten. Der LKW-Fahrer zeigte Reue: «Dieser Unfall hat Spuren bei mir hinterlassen.» Er habe mit den Angehörigen des Unfallopfers Kontakt aufgenommen, sich entschuldigt und ihnen seien Beileid aus gesprochen. «Das war mir wichtig», sagte er.

Das Gericht verurteilte ihn schliesslich zu einer bedingten Geldstrafe von 160 Tagessätzen à 90 Franken. Zudem muss er die Verfahrenskosten von rund 13’000 Franken bezahlen. Das Urteil kann noch weitergezogen werden und ist damit noch nicht rechtskräftig. (noo)

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