Es sind schwere Vorwürfe, denen nun sogar das FBI nachgeht: Der US-Flugzeughersteller Boeing und die Luftfahrtbehörde FAA sollen bei der Entwicklung der 737 MAX 8 geschlampt haben. «Falls das alles wahr sein sollte, kann es für die Verantwortlichen sehr teuer werden», sagt Ex-Swissair-Pilot und Aviatikexperte Olav Brunner (79) gegenüber BLICK.
Erste Auswirkungen zeichnen sich bereits ab. Die indonesische Fluggesellschaft «Garuda» hat ihre Bestellung von 49 Stück des Modells 737 MAX 8 bei Boeing zurückgezogen. Der Grund: Das Vertrauen in diesen Flugzeugtypen sei verloren, wie Garuda-Sprecher Ikhsan Rosan mitteilte. Aber auch Hinterbliebene und Airlines könnten auf die Schuldigen losgehen und ihre Schadensersatzansprüche geltend machen.
Fragwürdiges Kontrollsystem
Dass dieses Flugzeugmodell nie mehr fliegen wird, glaubt Brunner aber nicht: «Ich bin davon überzeugt, dass die Maschine wieder starten darf.» Dafür müssen aus seiner Sicht aber erstmal alle Fehler ausgemerzt und das Kontrollsystem «Maneuvering Characteristics Augmentation System» (MCAS) geändert werden. Dieses hat nach ersten Untersuchungsergebnissen bei beiden Flugzeugabstürzen eine Rolle gespielt und steht momentan in der Kritik.
Das MCAS soll verhindern, dass die Maschine während dem Flug einen Strömungsabriss erleidet und abstürzt. Während eines normalen Flugs, funktioniere dieses System hervorragend und mache auch selbstständig Korrekturen, sagt Brunner. Wenn der Sensor des Systems aber defekt ist, werden falsche Werte gemessen und die Daten können nicht richtig verarbeitet werden – dann spinnt das System und falsche Korrekturen sind die Folge. Für die Piloten wird es dann schwierig das Flugzeug wieder in den Griff zu bekommen.
Genau bei diesem Sensor sieht Brunner einen grossen Mangel: «Aus meiner Sicht ist es sehr fragwürdig, dass das Kontrollsystem nur einen Sensor hat.» Normalerweise sei jedes Flugzeug auf Dualität ausgelegt: Wenn ein System versagt müsse zwingend ein zweites System übernehmen.
«Schulung ist das Allerwichtigste»
Wenn dies nicht der Fall ist, dann sollten zumindest die Piloten in der Lage sein, das Problem in den Griff zu bekommen. «Deswegen ist die gründliche Schulung der Piloten das Allerwichtigste», sagt Brunner. Eine Pilotenschulung sei jedoch sehr teuer und bekanntlich werde an allen Ecken und Enden gespart. «Sie kennen ja die tiefen Flugpreise, da muss man sich nicht fragen.»
Dies zeigt auch der Fall des Piloten Yared Getachew (†29) der äthiopischen Unglücksmaschine. Er war nie in einem Flugsimulator-Training für die Boeing 737 MAX 8, wie die «New York Times» berichtet. Dies obwohl die Ethiopian Airlines, bereits zwei Monate vor dem Absturz, im Besitz eines solchen Flugsimulators waren. (bra)