Die Schuld und die Schwere der Tat bleiben – egal, wie viele Jahre vergehen. Die Geschichte beginnt am Nachmittag des 27. Dezembers 2017. In der Berner Von-Werdt-Passage 3 scheint alles ruhig. Plötzlich dringt ein damals 30-jähriger Ukrainer in das Pfandleih- und Bijouteriegeschäft im zweiten Stock. Er hat den Auftrag von einer vierköpfigen Schweizer Bande, den Laden auszurauben.
Erst droht der Mann mit einem Messer, will die Kombination des Tresors erpressen. Dann schlägt der Brutalo-Räuber den Besitzer (damals 76) nieder, knebelt und fesselt ihn mit Isolierband. Im Anschluss stopft er etwa 17 Kilo meist 22-karätiger Goldschmuck in zwei Taschen. Wert: 600'000 Franken. Er stiehlt zudem Uhren sowie Bargeld und bringt die reiche Beute seinen Komplizen. An das blutende Opfer denkt niemand mehr. Der gefesselte Ladenbesitzer wird erst 24 Stunden später gefunden. Er kommt wegen seiner schweren Kopfverletzungen auf die Intensivstation. Seit dem Angriff ist der Juwelier ein Pflegefall.
Goldraub sorgte für einige Schlagzeilen
Erst jetzt, über vier Jahre nach der Bluttat, sollen die Räuber zur Verantwortung gezogen werden. Ab kommendm Montag beginnt im Regionalgericht Bern-Mittelland der Prozess – wenn nicht wieder etwas dazwischenkommt. Denn es ist der dritte Anlauf. Schon im September 2019 stehen die Täter vor Gericht. Als der Hauptangeklagte (35) im Saal die Tat plötzlich gesteht, wird die Verhandlung unterbrochen. Grund: Die Anklageschrift muss angepasst werden. Im August 2021 soll der Prozess weitergehen. Doch die Angeklagten haben Corona und sitzen in Quarantäne fest. Der Prozess wird erneut verschoben.
Für Schlagzeilen sorgte der Goldraub immer wieder. Auch, weil neue Verbrechen auftauchen, die mit Tat und Täter zusammenhängen sollen. Während Ende Dezember 2017 die Fahndung nach den Räubern noch auf Hochtouren läuft, verkauft einer der Komplizen (heute 29) die ersten 8,5 Kilo Gold an ein illustres Hehler-Duo. Ein Zürcher Künstler und ein Ex-Eishockey-Spieler werden mit der heissen Ware geschnappt und im Juli 2020 zu bedingten mehrmonatigen Freiheitsstrafen verurteilt, meldete damals die «NZZ».
Corona-Hilfen in Höhe von 150'000 Franken erschwindelt
Im Februar 2018 gelingt der Polizei schliesslich die Verhaftung der Viererbande. Die Männer sollen den Überfall geplant und vorbereitet haben. Davon ist die Staatsanwaltschaft überzeugt. Sie kommen in U-Haft für mehrere Monate. Von welchem Kaliber die Burschen sind, zeugt ein neues Ermittlungsverfahren. Kaum aus der U-Haft entlassen, soll einer von ihnen, der heute 29-Jährige, nämlich wieder kriminell geworden sein.
Gleich nach dem ersten Lockdown, im März 2020, soll der Berner Versicherungsmakler mit gefälschten Umsatzzahlen bei drei verschiedenen Banken insgesamt 150'000 Franken an Corona-Krediten erschwindelt haben. Ferner soll er staatliche Hilfsgelder für sein Einzelunternehmen zur Tilgung privater Schulden missbraucht haben, berichtet die «Berner Zeitung». Auch der Prozess wird noch folgen.
Der Hauptverdächtige war nach der Tat nach Deutschland geflohen (Blick berichtete). Der Ukrainer wird 2018 in Köln (D) festgenommen und im Herbst des gleichen Jahres an die Schweiz ausgeliefert. Seitdem ist er im Gefängnis im vorzeitigen Strafvollzug.