In der SOS-Zentrale Hasliberg klingelt das Telefon. Peter Michel (60) antwortet mit ruhiger Stimme: «Ich schicke gleich jemanden.» Ein Notfall? Der Pisten- und Rettungschef gibt Entwarnung. Ein Pistenpatrouilleur soll lediglich auf der Bahnstation Käserstatt die Stellung halten. Seine Kollegen müssen auf einer geschlossenen Skipiste die Markierungen zusammenräumen. Schnurstracks verlässt ein Patrouilleur die SOS-Zentrale auf der Mägisalp.
Von hier aus – auf rund 1700 Meter Höhe – sorgt Michel mit seinem Team für die Sicherheit im Berner Skigebiet. Sechs Pistenpatrouilleure sind täglich im Einsatz. Der Chef selbst steht jeden Morgen um halb sieben auf der Piste, studiert den Wetterbericht und analysiert die Schneeverhältnisse. Der Brienzer ist routiniert: Seit 27 Jahren arbeitet er bei den Bergbahnen.
Zur Hauptaufgabe des Pistenpatrouilleurs gehört die Sicherung der Pisten. Dazu sind über den Tag verteilt mehrere Kontrollfahrten nötig: Hindernisse werden aus dem Weg geräumt, Pisten neu abgesteckt und Markierungen kontrolliert.
Von Schnittwunde bis Herzinfarkt
Dazu kommt das Verarzten von verunfallten Wintersportlern. «Von der kleinen Schnittwunde bis zum Herzinfarkt kommt alles vor», sagt Michel. Aufgrund von Corona werden die Rettungsschlitten nach jedem Gebrauch desinfiziert, bei Kontakt mit einem Patienten sind Handschuhe und Maske Pflicht.
Jedes Jahr gilt: Je weniger Unfälle, desto besser. Doch in diesem Jahr kommt deren Prävention eine besondere Bedeutung zu. Experten befürchten, dass die verunfallten Wintersportler die ohnehin schon angeschlagenen Spitäler zusätzlich belasten. Schliesslich sind die Intensivbetten in den Schweizer Spitälern, stand 26. Dezember, zu 75 Prozent ausgelastet.
Um möglichst viele Unfälle zu verhindern, haben die Kantone mit offenen Skigebieten zur besonderen Vorsicht aufgerufen: Der Berner Gesundheitsminister Pierre Alain Schnegg (58) mahnt «vorsichtig zu fahren und einen Helm zu tragen». In Graubünden wurde der Verkauf von Tageskarten beschränkt und ein Alkoholverbot erlassen. Zudem hat die Regierung angeordnet, «gefährliche Stellen zu sichern und gefährliche Pisten zu schliessen». Die offenen Skigebiete setzen die Forderungen um. So verzichten beispielsweise Saas-Fee VS und Arosa Lenzerheide GR auf risikoreiche Schanzen in den Snowparks.
Über Weihnachten blieb es in den meisten Skigebieten ruhig. Das schlechte Wetter, aber auch die Corona-Restriktionen leisteten dazu sicherlich ihren Beitrag.
Gute Schneeverhältnisse, weniger Gäste
Weniger Wintersportler bedeuten weniger Unfälle. Im Kantonsspital Graubünden wurden zwischen dem 18. und 25. Dezember 40 Ski- und Snowboardfahrer eingeliefert – darunter zwei Intensivpatienten. Im Spitalzentrum Oberwallis musste zwischen dem 19. und 25. Dezember einer von 105 Verunfallten auf die Intensivstation. Insgesamt sind das 30 Prozent weniger Skiunfälle als in den Vorjahren. Laut dem ärztlichen Direktor Reinhard Zenhäusern, bestehe zurzeit keine Überlastungssituation. Auch im Hasliberg gab es über Weihnachten «fast keine Unfälle». Laut Peter Michel liege das an den guten Schneeverhältnissen und den «bedeutend weniger» Gästen.
Am Samstag hatte es aufgrund von Neuschnee und gutem Wetter mehr Wintersportler auf der Piste. Das ist an sich nicht ungewöhnlich: Auch in anderen Jahren strömen die Wintersportler erst ab dem 26. Dezember in die Skigebiete. Das gilt auch für das Wallis und Graubünden. Was für Auswirkungen der Anstieg der Skigäste auf die Unfälle und die Auslastung der Spitäler hat, wird sich in den kommenden Tagen zeigen.
Peter Michel bleibt optimistisch: «Wenn wir so weitermachen können wie bis jetzt, sehe ich kein Problem.» Doch für ihn ist klar: Sobald sich die epidemiologische Lage verschlechtert, wäre eine Schliessung der Skigebiete angebracht. Denn: «Die Skigäste sollen am Abend wieder gesund im Tal ankommen.»