Auf zwei Feldern von Markus Dietschi (48) in Selzach SO treiben bereits die Rapspflänzchen, in elf Monaten können sie geerntet werden. Doch dem Bauer machen die Sprösslinge gerade mehr Sorgen als Freude. Der Preis für die aktuelle Ernte ist in den Keller gerauscht. Im Vergleich zum vergangenen Jahr resultierte ein harsches Minus von 25 Prozent. «Wir werden übervorteilt!», sagt der langjährige FDP-Kantonsrat. Und weiter: «Zuerst sagen alle, dass es dringend mehr Raps braucht, dann lässt man die Preise sausen.»
Die Nachricht vom Preiszerfall ist für die Landwirte eine böse Überraschung: Erst Wochen nach dem Abliefern der Ernte bei der Sammelstelle haben sie erfahren, wie wenig sie pro 100 Kilo erhalten. Den Preisentscheid hat der Bauer sogar erst erfahren, nachdem er bereits die nächste Generation Raps ausgesät hatte. Um auf den tieferen Preis zu reagieren, war es zu spät.
Die Preisentwicklung der vergangenen paar Jahre erinnert eher an Optionen auf Aktien, als an den Preis für ein Schweizer Agrarprodukt. Erhielten die Bauern für 100 Kilo Raps 2020 knapp über 80 Franken, gab es 2021 über 97 Franken und 2022 sogar 116 Franken. 2023 wird nur noch knapp über 86 Franken gezahlt. Das ist ein Viertel weniger als im Vorjahr. «Gleichzeitig sind durch den Krieg in der Ukraine die Kosten massiv gestiegen: Diesel für den Traktor, Pflanzenschutzmittel, Dünger. Alles in allem fast ein Plus von 40 Prozent. Unter dem Strich bleibt da nicht viel», sagt Bauer Dietschi.
Mehr Produzenten gesucht
Dass gerade noch in diesem Mai die Verbände die Bauern gebeten haben, mehr Raps anzubauen, macht Dietschi ranzig. In allen Landwirtschafts-Publikationen war zu lesen: «Neue Raps-Produzenten gesucht: Jetzt anmelden.» Bisher produzierte die Schweiz 92'000 Tonnen Raps, absetzen könnte man aber 106'000 Tonnen. Hohe Nachfrage, hoher Preis, würde man denken. Doch beim Raps geht die Rechnung nicht auf.
Es muss sich etwas ändern, sagt Dietschi mit Nachdruck: «Wir Bauern fühlen uns ausgeliefert. Wir können nicht auf Preisänderungen reagieren, weil wir erst nach der Lieferung informiert werden. Wir haben nur sehr wenige Ölmühlen, und die konkurrenzieren sich nicht. Das Risiko bleibt an den Bauern hängen.»
Einen Erklärungsversuch für die Preiskapriolen macht Urs Reinhard (47), Präsident des Verbandes Schweizerischer Hersteller von Speiseölen, Speisefetten und Margarine. So viel vorab: Es ist kompliziert. «Weil der Weltmarktpreis stark gesunken ist, muss auch der Schweizer Preis sinken», sagt er einführend. Dass es eigentlich zu wenig Schweizer Pflanzenöle hat, fliesst nicht in den Preis ein. «Die Vermarkter, also die Mühlen und Lebensmittelhersteller, haben nicht unbegrenzten Spielraum. Der Preis muss letztlich dem Endkunden und damit dem Konsumenten passen. Die Fragen stellen sich: Wie viel Preiserhöhung vertragen sie? Kaufen die Schweizer Konsumenten dann nicht einfach das billigere Produkt aus dem Ausland?»
Schwelle ist erreicht
Der Lebensmittelexperte weiss aber auch, dass eine Schwelle erreicht ist. Er sagt zu Blick: «Wir sind uns der Problematik bewusst. Die Bauern haben durch die Inflation höhere Kosten, die nicht durch diesen Preis gedeckt sind. Bei den Verarbeitern sieht es nicht anders aus. Es könnte an der Zeit sein, am System der Preisfindung etwas zu ändern. Dazu braucht es letztlich aber auch die Politik.»
Nur was, ist noch unklar. Die enorme Preisdynamik kommt durch die Verknappung durch den Ukraine-Krieg und der anschliessenden Gegenbewegung bei Produzenten auf der ganzen Welt. Immerhin: Schweizer Rapsöl kann man nicht importieren. Wenn in der Schweiz der Konsument Schweizer Öl will, muss er schlicht mehr dafür bezahlen. Bauer Dietschi fasst die Stimmung unter den Bauern zusammen. Er sagt: «Sonst bauen wir keinen Raps mehr an.»
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