Donnerstag, kurz vor 15 Uhr im «Bernerhof», Sitz des Finanzdepartements in Bern: Bundesrätin Karin Keller-Sutter und der britische Schatzkanzler Jeremy Hunt setzten ihre Unterschrift unter ein Abkommen, an dem die zwei Länder – je nach Darstellung – «gut zwei» oder «drei» Jahre lang gearbeitet haben und das von beiden Seiten als «einzigartig» und «innovativ» bezeichnet wird. Ein Finanzdienstleistungsabkommen für Banken und Versicherer, das «Berne Financial Services Agreement».
Künftig sollen Anbieter aus beiden Ländern freien Zugang zum jeweils anderen Markt erhalten, wenn eine gleichwertige Regulierung vorliegt – und die zahlreichen Einschränkungen des Abkommens eingehalten werden. In bestimmten Bereichen akzeptieren beide Länder die Regeln des Partners als äquivalent. Normale Retailkunden haben aber wenig von dem neuen Vertrag; das Abkommen darauf ab, dass Finanzdienstleister Profi- und Grosskunden im jeweils anderen Land leichter bedienen können.
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Der Vertrag soll nun möglichst schnell ratifiziert werden. In der Schweiz will das Finanzdepartement das Geschäft bis Mitte Jahr in die Parlamente bringen.
Bundesrätin Keller-Sutter freut sich über den Verhandlungserfolg. Es sei «ein guter Tag für die engen Beziehungen zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich», sagte sie im Anschluss an die Unterzeichnung vor Medienvertretern. Eine Spur euphorischer tönte Schatzkanzler Hunt, der auf eine bereits 130jährige Partnerschaft der beiden Länder verwies und von einem «bahnbrechenden» und «ambitionierten» Abkommen sprach.
Private Banker erhalten freien Zugang nach Grossbritannien
Die grossen Gewinner des Abkommen sind – aus Schweizer Sicht – die Vermögensverwaltungsbanken. Während ihre britischen Konkurrenten schon heute recht freien Zugang zu Schweizer Kundschaft haben, sollen Schweizer Banken diesen nun auch in Grossbritannien erhalten.
Britische Kundinnen und Kunden mit mehr als 2 Millionen Pfund Vermögen (rund 2,2 Millionen Franken) sollen künftig grenzüberschreitend betreut werden können, ohne, dass dazu weitere Auflagen erfüllt werden müssen. Das Abkommen geht damit weit über all das hinaus, was derzeit mit anderen Ländern, wie beispielsweise Deutschland, ausgehandelt wurde. Für die Schweizer Banken ein hoch attraktiver Deal. Sie können nun problemlos ihre wohlhabende Kundschaft in London vor Ort besuchen und beraten.
Für britische Banken ändert sich eher wenig: Sie haben schon heute Zugang zum Schweizer Markt. Das Abkommen zementiert diesen lediglich noch im Rahmen eines Staatsvertrags.
Schweizer Versicherer erhalten Konkurrenz aus England
Verlierer sind die Schweizer Versicherer. Sie erhalten künftig neue Konkurrenz von der Insel, ohne in Grossbritannien selber von grossen Erleichterungen zu profitieren. Britischer Versicherer erhalten in einzelnen Bereichen neu freien Zugang zu Schweizer Kunden. Heute ist der Schweizer Versicherungsmarkt weitgehend abgeschottet.
Entsprechend wenig begeistert zeigt sich der Schweizerische Versicherungsverband (SVV). Im Versicherungsbereich liege ein «asymmetrisches Verhandlungsergebnis zugunsten des Vereinigten Königsreichs» vor, heisst es auf Anfrage beim SVV. Für die Schweizer Versicherer ergäben sich wenige Vorteile, insgesamt bleibe der Nettonutzen negativ. «Es ist an der Politik zu beurteilen, ob die Schweiz grundsätzlich eine Marktliberalisierung mit asymmetrischen Verträgen erkaufen soll.»
Zähneknirschend hält Mediensprecherin Sybille Zumstein fest, dass man sich allerdings nicht gegen das Abkommen stellen werde. Man erkenne den «gesamtwirtschaftlichen Nutzen» des Abkommens trotz der Vorbehalte.
Keller-Sutter bestätigt, darauf angesprochen, dass es in der Branche einige gebe, «die skeptisch sind». Man habe keine explizite Zusicherung zur Unterstützung des Abkommens, sagt die Bundesrätin. Man könne sich auch nicht Partikularinteressen kümmern. Der Bundesrat wolle dieses Abkommen durchs Parlament bringen, weil es der Standortattraktivität diene. «Dieses Mal mögen vielleicht die Banken etwas mehr profitieren, ein anderes mal sind es vielleicht die Versicherer», so Keller-Sutter.
Die Schweizer Verhandlungsdelegation dürfte den Versicherern im Rahmen der Verhandlungen denn auch weit entgegen gekommen sein: Vom Vertrag sind zahlreiche Bereiche ausgeschlossen. Nicht nur ist es britischen Versicherern verboten, überall da aktiv zu werden, wo kantonale Monopole bestehen. Auch andere hoch regulierte Teile des Versicherungsgeschäfts wie die Lebensversicherung sind vom Marktzugang ausgeschlossen.
Für Kleinkunden ändert sich wenig: Das Abkommen gilt nur für die Grossen
Überhaupt gilt das Abkommen nur für Grosskunden. Bei den Banken betrifft es das institutionelle Geschäft und die Vermögensverwaltung mit reicher Kundschaft. Bei den Versicherungen ist der Marktzugang auf grössere professionelle Kunden eingeschränkt: Also Firmenkunden mit mehr als 250 Angestellten, 40 Millionen Franken Jahresumsatz oder 20 Millionen Franken Bilanzsumme.
Angebote für Kleinkunden sind nicht Teil des Abkommens. Schweizer Motorfahrzeuge können auch in Zukunft nicht bei britischen Online-Anbietern versichert werden, Schweizer Banken erhalten keinen erleichterten Zugang zum britischen Retail-Geschäft. Der Widerstand scheint in diesen Bereichen zu gross gewesen zu sein, Ambitionen für einen baldige Erweiterung bestehen nicht.
Das Kleinkundengeschäft sei von Anfang an nicht Teil des Verhandlungsmandats gewesen, sagt Keller-Sutter. Das Interesse des Finanzmarkts an diesem Segment sei eher gering gewesen. Beide Seiten zeigen sich aber offen, das Abkommen weiter auszubauen. Ein Thema ist dabei offenbar die Nachhaltigkeit im Finanzwesen. Bereits vereinbart ist, dass der Vertrag nach fünf Jahren überprüft werden soll.
Spezialregelung für britische Broker
In Kraft tritt das Abkommen erst mit der Ratifizierung. Eine Branche profitiert jedoch schon vorab: Die britischen Versicherungsmakler. Eigentlich gilt ab 2024 mit Inkraftsetzung des neuen Versicherungs-Aufsichts-Gesetzes (VAG) in der Schweiz eine Niederlassungspflicht für ausländische Broker. Diese kann jedoch in Ausnahmefällen aufgehoben werden. Und weil sie mit Inkrafttreten des Abkommens mit Grossbritannien eh wegfallen würde, soll sie für britische Broker nun gar nie erst in Kraft treten. Somit können britische Broker ab Januar 2024 auch Schweizer Firmenkunden akquirieren.
Private Banker erhalten freien Zugang nach Grossbritannien
Die grossen Gewinner des Abkommens sind – aus Schweizer Sicht – die Vermögensverwaltungsbanken. Während ihre britischen Konkurrenten schon heute recht freien Zugang zur Schweizer Kundschaft haben, sollen Schweizer Banken diesen nun auch in Grossbritannien erhalten.
Britische Kundinnen und Kunden mit mehr als 2 Millionen Pfund Vermögen (rund 2,2 Millionen Franken) sollen künftig grenzüberschreitend betreut werden können, ohne dass dazu weitere Auflagen erfüllt werden müssen. Das Abkommen geht damit weit über all das hinaus, was derzeit mit anderen Ländern, beispielsweise Deutschland, ausgehandelt wurde. Für die Schweizer Banken ein hochattraktiver Deal. Sie können nun problemlos ihre wohlhabende Kundschaft in London vor Ort besuchen und beraten.
Für britische Banken ändert sich eher wenig: Sie haben schon heute Zugang zum Schweizer Markt. Das Abkommen zementiert diesen lediglich noch im Rahmen eines Staatsvertrags.
Schweizer Versicherer erhalten Konkurrenz aus England
Verlierer sind die Schweizer Versicherer. Sie erhalten künftig neue Konkurrenz von der Insel, ohne in Grossbritannien selber von grossen Erleichterungen zu profitieren. Britische Versicherer erhalten in einzelnen Bereichen neu freien Zugang zu Schweizer Kunden. Heute ist der Schweizer Versicherungsmarkt weitgehend abgeschottet.
Entsprechend wenig begeistert zeigt sich der Schweizerische Versicherungsverband (SVV). Im Versicherungsbereich liege ein «asymmetrisches Verhandlungsergebnis zugunsten des Vereinigten Königsreichs» vor, heisst es auf Anfrage beim SVV. Für die Schweizer Versicherer ergäben sich wenige Vorteile, insgesamt bleibe der Nettonutzen negativ. «Es ist an der Politik, zu beurteilen, ob die Schweiz grundsätzlich eine Marktliberalisierung mit asymmetrischen Verträgen erkaufen soll.»
Zähneknirschend hält Mediensprecherin Sybille Zumstein fest, dass man sich allerdings nicht gegen das Abkommen stellen werde. Man erkenne dessen «gesamtwirtschaftlichen Nutzen» trotz der Vorbehalte.
Die Schweizer Verhandlungsdelegation dürfte den Versicherern im Rahmen der Verhandlungen denn auch weit entgegengekommen sein: Vom Vertrag sind zahlreiche Bereiche ausgeschlossen. Nicht nur ist es britischen Versicherern verboten, überall da aktiv zu werden, wo kantonale Monopole bestehen. Auch andere hoch regulierte Teile des Versicherungsgeschäfts wie die Lebensversicherung sind vom Marktzugang ausgeschlossen.
Für Kleinkunden ändert sich wenig: Das Abkommen gilt nur für die Grossen
Überhaupt gilt das Abkommen nur für Grosskunden. Bei den Banken betrifft es das institutionelle Geschäft und die Vermögensverwaltung mit reicher Kundschaft. Bei den Versicherungen ist der Marktzugang auf grössere professionelle Kunden eingeschränkt: Also Firmenkunden mit mehr als 250 Angestellten, 40 Millionen Franken Jahresumsatz oder 20 Millionen Franken Bilanzsumme.
Angebote für Kleinkunden sind nicht Teil des Abkommens. Schweizer Motorfahrzeuge können auch in Zukunft nicht bei britischen Online-Anbietern versichert werden, Schweizer Banken erhalten keinen erleichterten Zugang zum britischen Retail-Geschäft. Der Widerstand scheint in diesen Bereichen zu gross gewesen zu sein, Ambitionen für einen baldige Erweiterung bestehen nicht.
Spezialregelung für britische Broker
In Kraft tritt das Abkommen erst mit der Ratifizierung. Eine Branche profitiert jedoch schon vorab: Die britischen Versicherungsmakler. Eigentlich gilt ab 2024 mit Inkraftsetzung des neuen Versicherungs-Aufsichts-Gesetzes (VAG) in der Schweiz eine Niederlassungspflicht für ausländische Broker. Diese kann jedoch in Ausnahmefällen aufgehoben werden. Und weil sie mit Inkrafttreten des Abkommens mit Grossbritannien eh wegfallen würde, soll sie für britische Broker nun gar nie erst in Kraft treten. Somit können britische Broker ab Januar 2024 auch Schweizer Firmenkunden akquirieren.