Zoff bei den Genossen! In einem offenen Brief vom vergangenen Freitag fordern 94 Genossinnen und Genossen – darunter aber keine Polit-Prominenz – ihre Bundes-, Kantonal- und Gemeindepolitiker auf, sich stärker für die palästinensische Bevölkerung einzusetzen. Sie sprechen von einem «Massaker» in Gaza und fordern unter anderem, dass die Schweiz das umstrittene Uno-Flüchtlingshilfswerk für Palästina, UNRWA, wieder finanziert, die militärische Zusammenarbeit mit Israel sofort aussetzt und gar Sanktionen gegen Israel verhängt.
Allein: Nicht alle Sozialdemokraten denken gleich. Der Zürcher Ständerat Daniel Jositsch (58) ist das einzige linke Mitglied der parlamentarischen Freundschaftsgruppe Schweiz-Israel, die die Interessen des Staates Israel in der Schweizer Politik vertritt. Er hält nichts vom Brief, sagt: «Ich teile diese Meinung nicht.»
Im Interview mit Blick teilt er nun aus gegen die Parteikolleginnen und -kollegen, die den «völkermörderischen Krieg» Israels anprangern.
Blick: Daniel Jositsch, warum verurteilen Sie – wie Ihre 94 Parteifreunde – nicht den «völkermörderischen Krieg», den Israel in Gaza führt?
Daniel Jositsch: Ich lehne den Begriff «völkermörderisch» in diesem Zusammenhang ab. Das ist eine Form der Diffamierung. Wir können ihn nicht verwenden. Es ist ein Konflikt, der am 7. Oktober mit der Geiselnahme und dem Angriff der Hamas auf Israel begonnen hat. Wenn man sich zu diesem Konflikt äussern will, muss man meines Erachtens einige Dinge berücksichtigen: Es war die Hamas, die diesen Krieg begonnen hat. Sie hält bis heute Geiseln fest. Und schliesslich ist es das palästinensische Volk in Gaza, das die Hamas zu seiner Regierung gewählt hat.
Manche werden Sie darauf hinweisen, dass der Konflikt schon vor dem 7. Oktober begonnen hat ...
Das ist ein Standpunkt. Oder besser gesagt: ein Vorwand. Nichts rechtfertigt einen Angriff wie den vom 7. Oktober. Wenn man die Situation mit der Politik der Vergangenheit erklärt, kann man alles erklären. Das hilft nicht. Was hilft, ist, eine Diskussion über die Zukunft anzustossen. Dazu muss man wissen, dass die Palästinenser bis heute die Existenz Israels nicht akzeptieren und ihr Ziel die Vernichtung Israels ist. Vor diesem Hintergrund finde ich es etwas befremdlich, wenn Parteikollegen nun Partei für die Palästinenser ergreifen und dies als einen ausgewogenen und der Situation angemessenen Akt betrachten.
Tun die Gremien der SP auf humanitärer Ebene genügend für das palästinensische Volk?
Ja. Wenn man von der Schweiz aus etwas tun kann, dann ist das eine Möglichkeit zu finden, um den Frieden wiederherzustellen. Bisher hat die Schweiz grosse finanzielle Unterstützung geleistet, zum Beispiel an die UNWRA. Nun haben wir gesehen, dass dieses Hilfswerk sehr schlechte Tendenzen hat. Man sollte darum von Investitionen absehen.
Die Unterzeichner des Briefes bedauern, dass «die Schweiz keine verbindlichen Massnahmen gegen den Staat Israel ergriffen» hat. Teilen Sie diese Meinung?
Nein, absolut nicht. Das hilft in diesem Konflikt nicht weiter. Schauen Sie: Alle, die diesen Brief unterschrieben haben, lehnen den Staat Israel prinzipiell ab. Sie stellen sich auf die Seite der Palästinenser. Und finden damit Vorwände, um sich in dieser Situation zu engagieren. Es ist immer das Gleiche.
Haben die Linken in der Schweiz ein Problem mit dem Begriff «Terrorismus», wenn es um die Hamas geht?
Das müssen Sie die Verfasser des Schreibens fragen.
Sie sind der einzige Sozialdemokrat in der parlamentarischen Freundschaftsgruppe Schweiz-Israel. Welche Position vertreten Sie dort?
Unsere überparteiliche Gruppe stellt eine Tendenz in der Politik fest, die in der Israel-Frage nicht sehr ausgewogen ist. Die Uno zum Beispiel trifft viele Entscheidungen gegen Israel. Andere Staaten greifen Israel immer wieder an. Vor allem solche, die weder demokratisch sind noch die Menschenrechte achten. Der Iran etwa. Unsere Gruppe ermöglicht es, ein Gegengewicht zu schaffen und die guten Beziehungen zwischen der Schweiz und Israel zu sichern.