«Wollen einander bei Kampagne helfen»
Partei von Kosovo-Premier und SP pflegen umstrittene Freundschaft

Im WEF-Interview kündigte der Premierminister von Kosvo, Albin Kurti, an, dass er Wahlkampf für die SP machen wird. Die Freundschaft zwischen seiner Partei Vetevendosje und der Schweizer SP besteht seit über 10 Jahren.
Publiziert: 18.01.2023 um 16:39 Uhr
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Die Schweizer SP und ihr Co-Chef Cédric Wermuth pflegen seit langem eine Freundschaft zu Kosovo-Premier Albin Kurti und seiner Partei Vetevendosje.
Thomas Müller

Der Premierminister des Kosovo, Albin Kurti (47), hat es im Interview mit Blick angekündigt: Seine Partei Vetevendosje (Selbstbestimmung) und die SP wollen einander im Wahlkampf unterstützen. Am Donnerstag soll eine Absichts- und Kooperationserklärung mit der SP für 2023 bis 2025 unterzeichnet werden, sagte Kurti. Dieses Jahr sind Wahlen in der Schweiz, 2025 im Kosovo.

«Wir wollen einander bei Kampagnen helfen», sagte Kurti. Ziel sei, dass beide Parteien an Stärke gewinnen würden. Sie gehörten der gleichen ideologischen Familie an und viele Kosovarinnen und Kosovaren in der Schweiz seien Mitglied beider Parteien. Zudem sei Cédric Wermuth (36), Co-Präsident der SP Schweiz, ein guter Freund von ihm.

Tränengaspetarden und Kriegsverbrechen

Diese Partnerschaft ist nicht unumstritten. Denn: Die Vergangenheit von Vetvendosje ist nicht unproblematisch. Anfänglich hatte die Partei die nationalistische Vision eines Grossalbaniens, das aus Kosovo und Albanien bestehen sollte. Vetevendosje-Abgeordnete zündeten früher im Parlament schon Tränengaspetarden. Und Partei-Chef Kurti wird immer wieder wegen seines autoritären Führungsstils kritisiert.

Vom Polithäftling zum Premier

Albin Kurti (47) ist seit 2021 Premierminister des Kosovos. Seine Partei Lëvizja Vetëvendosje! («Bewegung Selbstbestimmung!») gilt als progressiv und links. Kurti wurde in Pristina geboren, schloss sich 1997 der kosovarischen Befreiungsarmee UCK an. 1999 wurde er während des Kosovo-Kriegs von der serbischen Polizei verhaftet und eingesperrt. Nach seiner Freilassung gründete er 2005 seine Partei. 2010 nahm sie zum ersten Mal an den Parlamentswahlen teil und wurde auf Anhieb drittstärkste Kraft. Kurti ist mit einer norwegischen Politologin verheiratet, die beiden haben eine Tochter.

Albin Kurti (47) ist seit 2021 Premierminister des Kosovos. Seine Partei Lëvizja Vetëvendosje! («Bewegung Selbstbestimmung!») gilt als progressiv und links. Kurti wurde in Pristina geboren, schloss sich 1997 der kosovarischen Befreiungsarmee UCK an. 1999 wurde er während des Kosovo-Kriegs von der serbischen Polizei verhaftet und eingesperrt. Nach seiner Freilassung gründete er 2005 seine Partei. 2010 nahm sie zum ersten Mal an den Parlamentswahlen teil und wurde auf Anhieb drittstärkste Kraft. Kurti ist mit einer norwegischen Politologin verheiratet, die beiden haben eine Tochter.

Zudem steht mit Rexhep Selimi ein ehemaliger Abgeordneter der Partei wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Kosovokriegs in Den Haag vor Gericht. Der Prozess um Selimi soll dieses Jahr losgehen.

Vetevendosje habe «wirklich aufgeräumt»

Die SP sei sich natürlich bewusst, dass man über die schwierigen Fragen nicht hinwegsehen dürfe, sagt Nicolas Häsler, Mediensprecher der Partei. Doch man sehe den Weg von Vetevendosje in den letzten Jahren sehr positiv. «Die Partei hat wirklich aufgeräumt, etwa bezüglich der nationalistischen Stimmen», so Häsler. So sei Selimi seines Wissens nicht mehr Teil der Partei.

Das Land habe eine sehr bewegte Geschichte und das politische System sei noch sehr jung. Wenn man also einen Beitrag leisten könne zur Stabilisierung, dann wolle die SP dies tun – daher die Zusammenarbeit.

Die potenziellen Wählerstimmen für die SP aus der kosovarischen Community dürften bei den Überlegungen zur Zusammenarbeit mitspielen. Dass SP und Vetevendosje für den Wahlkampf zusammenspannen, ist nicht neu. Schon früher traten die beiden Parteien gemeinsam auf und sprachen gegenseitige Wahlempfehlungen aus.

Die letzte Partnerschaft

In einem offenen Brief an die Kosovarinnen und Kosovaren der Schweiz machte die SP 2021 Wahlkampf. «Vetevendosje steht für Gerechtigkeit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit», hiess es in dem Schreiben. Es verwies zudem auf das Kosovo-Sondertribunal des Internationalen Gerichtshofs, das seine Arbeit «ohne Frage» machen müsse.

«Entweder wir engagieren uns vor Ort für echte Perspektiven für die Menschen, oder sie werden in den nächsten Jahren wegen Armut und Arbeitslosigkeit bei uns Asyl beantragen», begründete Wermuth die Zusammenarbeit in der «NZZ am Sonntag». Und die glaubwürdigste Kraft im Land dafür sei in seinen Augen Vetevendosje.

Der Beginn der Freundschaft

Ihren Anfang nahm die Kooperation der beiden Parteien, nachdem der ehemalige politische Häftling Kurti mit seiner Partei Vetevendosje 2010 zum ersten Mal an den Wahlen im Kosovo teilgenommen hatte. Und mit einem Mal wurden sie drittstärkste Kraft im Parlament.

Wermuth wurde auf den politischen Senkrechtstarter aufmerksam, wie er der «Wochenzeitung» sagte: «Ich bin mit Kosovaren aufgewachsen, und plötzlich haben alle von diesem Kurti geschwärmt.»

Langjährige Kooperation

Zwei Jahre später lud die SP Kurti zu ihrem Parteitag in Lugano TI ein. Mit Kurtis nationalistischen Zügen und seiner Grossalbanien-Vision konnten die Sozialdemokraten nur wenig anfangen. Die Rhetorik, dass alle, die gegen die Uno-Präsenz im Kosovo seien, Nationalisten sein müssten, hielt Wermuth für ein Missverständnis.

Doch Wermuths Interesse an Vetevendosje blieb bestehen. Als 2019 in der Schweiz und im Kosovo Wahlen stattfanden, trat Wermuth mit Kurti an einer Wahlveranstaltung in Aarau auf. Zur Wahl als Co-Chef der SP 2020 gratulierte Kurti Wermuth sogar persönlich. 2021 folgte der offene Brief. Nun werden die beiden Parteien wieder zusammenarbeiten.

Serbische Kritik an Wermuth

Sein Interesse am Kosovo brachte Wermuth kürzlich auch Kritik von Serbien ein. Auf Twitter schrieb Wermuth, dass man bei Serbien und Kosovo nicht von einem Konflikt zweier Seiten sprechen solle. Es gebe nur Vucic, Putin und serbische Faschisten, die das Recht des kosovarischen Volkes auf Selbstbestimmung nicht akzeptierten.

Daraufhin wurde ein Brief des serbischen Botschafters öffentlich, der Wermuth scharf kritisierte und eine Entschuldigung forderte.

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