Livia Leu wechselt als Botschafterin nach Berlin
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Staatssekretärin Livia Leu:«Meine Aufgabe ist es, die Sondierungen zu beenden»

Wer übernimmt Livia Leus Schleudersitz-Posten?
Diese fünf EU-Chefunterhändler sind bisher gescheitert

Mit dem Abgang von EU-Chefunterhändlerin Livia Leu ist der Bundesrat auf der Suche nach der sechsten Besetzung für dieses Amt. Es ist eines mit Schleudersitz. Alle bisherigen Chefunterhändlerinnen und Chefunterhändler sassen nie lange auf dem Posten. Eine Übersicht.
Publiziert: 10.05.2023 um 16:52 Uhr
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Aktualisiert: 10.05.2023 um 19:02 Uhr
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Hat genug – und geht nach Berlin: Die EU-Chefunterhändlerin der Schweiz, Livia Leu, hängt ihren Posten an den Nagel.
Foto: keystone-sda.ch
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Tobias OchsenbeinRedaktor Politik

Unter Aussenminister Ignazio Cassis (62) und seiner rechten Hand, Generalsekretär Markus Seiler (53), verlor das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) viel diplomatische Kompetenz.

Erfahrene Diplomatinnen und Diplomaten warfen den Bettel hin oder wurden vergrault – weil sie an der kurzen Leine gehalten werden. Auch von Günstlingswirtschaft berichten Medien.

Besonders das EU-Dossier frisst Personal. Ganz nach dem Motto: Wenn sich schon bei den Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU kaum etwas bewegt, so dreht sich zumindest das Personalkarussell munter weiter. Nun rappelt es einmal mehr im Karton.

Livia Leu – 2020–2023

Am Dienstagabend wurde bekannt, dass Livia Leu (62) genug hat. Nach drei Jahren als Chefin des Staatssekretariats im Aussendepartement wechselt sie als Botschafterin nach Berlin. Der Bundesrat bestätigte am Mittwoch einen Bericht des «Tages-Anzeigers».

Leu verhandelt seit Oktober 2020 mit der Europäischen Union über die Neuauflage des von der Schweiz beerdigten Rahmenabkommens. Nachdem der Bundesrat dem Abkommen des Todesstoss versetzt hatte, war es an Leu, die Stossrichtung für ein neues Verhandlungspaket vorzuspuren.

Das komplizierte EU-Dossier verlasse Leu «auf eigenen Wunsch», heisst es. Schon länger wird allerdings berichtet, Leu und Aussenminister Ignazio Cassis seien nicht immer gleicher Meinung gewesen, was die Ausrichtung der Aussenpolitik anging.

Roberto Balzaretti – 2018–2020

Als Staatssekretär für Europa-Fragen handelte Roberto Balzaretti (58) für die Schweiz das gescheiterte EU-Rahmenabkommen aus – für eine Regierung notabene, die schon damals nicht wusste, was sie wollte. Der Bundesrat versenkte das Abkommen im Mai 2021 abrupt.

Im Oktober 2020 wurde der ranghöchste Schweizer Diplomat vom Bundesrat abgesetzt; er musste sein Amt als EU-Chefunterhändler abgeben. Widerwillig und mit einem Berg an Pendenzen. Balzaretti durfte danach die Botschaft in Paris übernehmen, die zuvor in den Händen seiner Nachfolgerin Livia Leu war.

Pascale Baeriswyl – 2017–2018

Mit der Pensionierung von Staatssekretär Jacques de Watteville (72) übernahm Pascale Baeriswyl (55) im April 2017 die Koordination der Verhandlungen mit der Europäischen Union.

Knapp ein Jahr später, im Februar 2018, erfolgte bereits Baeriswyls Entmachtung. Ihr Nachfolger Balzaretti wurde zum Europa-Staatssekretär im EDA ernannt. Ein Jahr später war Baeriswyl schliesslich ganz weg aus Bern: Seit August 2019 vertritt sie die Schweiz als Chefin der UNO-Mission in New York.

Jaques de Watteville – 2016–2017

Im Juni 2015 kündigte der damalige Aussenminister Didier Burkhalter (63) einen Strategiewechsel in der Schweizer Europapolitik an: Neu sollte ein «Chefunterhändler» alle EU-Dossiers koordinieren und die Fäden in der Hand behalten. Jaques de Wattewil wurde mit dem prestigeträchtigen Job belohnt.

Aussenminister Burkhalter holte ihn dafür extra aus dem Staatssekretariat für internationale Finanzfragen beim Finanzdepartement (SIF) ins EDA. Dort wurde er zwar Ende Juni 2016 pensioniert, behielt aber sein Amt als Chefunterhändler – vorerst.

Yves Rossier – 2012–2016

Yves Rossier (62) war als Staatssekretär von 2012 bis 2016 Schweizer Chefdiplomat und spielte in dieser Funktion eine Schlüsselrolle bei den Vorverhandlungen zum Rahmenabkommen mit der EU. Bis der Bundesrat Rossier 2016 kaltstellte und er ins zweite Glied treten musste. Der Personalentscheid sollte einen Ausweg aus dem zähen Einwanderungsstreit mit der EU nach dem Ja zur SVP-Zuwanderungsinitiative eröffnen.

2017 wechselte er bis 2020 als Botschafter nach Moskau. Im Februar 2021 kündigte er beim EDA.

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