Zürcher GLP-lerin wechselt kurz nach der Wahl zur FDP
«Wenn sie nur einen Funken Anstand hat, tritt sie zurück»

Die Zürcher Politik dürfte in den kommenden vier Jahren bürgerlicher ausfallen als gedacht. Weil eine GLP-Politikerin zur FDP wechselt, verliert Mitte-Links die Mehrheit im Zürcher Kantonsrat. Die Reaktionen sind geharnischt.
Publiziert: 23.02.2023 um 11:59 Uhr
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Aktualisiert: 27.02.2023 um 08:27 Uhr
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Die Klima-Allianz verliert ihre knappe Mehrheit im Zürcher Kantonsrat.
Foto: keystone-sda.ch

Trotz Wahlverlusten am 12. Februar hatte die Klima-Allianz aus SP, Grünen, AL, EVP und GLP eine knappe Mehrheit im Zürcher Kantonsrat. Bis am Donnerstag! Denn da gab die gewählte Kantonsrätin Isabel Garcia bekannt, dass sie von der GLP zur FDP wechselt. Und das nur gerade elf Tage nach den Wahlen!

Garcia begründet ihren Parteiwechsel damit, die finanz- und wirtschaftspolitische Ausrichtung der GLP habe «in letzter Zeit nicht mehr in ausreichendem Mass meinen diesbezüglichen Werten entsprochen». Gerade Themen wie gesunde Staatsfinanzen und eine massvolle Steuerbelastung seien ihr persönlich aber sehr wichtig. «Da fühle ich mich bei der FDP besser aufgehoben.»

Entscheid sei erst nach den Wahlen gefallen

Als konkretes Beispiel, wo sie die Meinung der GLP «ganz und gar» nicht teile, nennt sie gegenüber dem «Tages-Anzeiger» die Konzernverantwortungsinitiative. «Dafür kann ich einfach nicht einstehen.»

Der Wechsel ist bei der FDP sogar an oberster Stelle zur Kenntnis genommen worden. Parteipräsident Thierry Burkart (47) heisst Garcia via Twitter bei den Freisinnigen willkommen.

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Ein Parteiwechsel nur wenige Tage nach den Wahlen? Da könnte sich die eine oder andere Wählerin übers Ohr gehauen fühlen. Garcia selber aber will kein Problem erkennen. Sie habe nach den Wahlen eine Standortanalyse gemacht und sei dann zu diesem Entscheid gekommen.

Bürgerliche werden häufig die Mehrheit haben

Damit kommt die Klima-Allianz in der neuen Legislatur nicht mehr auf 91, sondern 90 Mitglieder. Damit herrscht ein Patt im Kantonsrat. Faktisch dürften sich die bürgerlichen Parteien bei Abstimmungen sogar häufig in der Mehrheit befinden. Grund dafür ist, dass die Ratspräsidentin oder der Ratspräsident nicht abstimmen darf, sondern nur bei einem Patt den Stichentscheid gibt.

Als derzeitige 1. Vizepräsidentin dürfte Sylvie Matter (SP) an der ersten Sitzung der neuen Legislatur zur neuen Präsidentin des Kantonsrats gewählt werden. Ihre Stimme fehlt der Klima-Allianz bei den Abstimmungen dann ebenfalls.

Dadurch wären die bürgerlichen Parteien – falls es auf beiden Seiten keine Absenzen gibt – jeweils mit 90 zu 89 Stimmen in der Mehrheit. Aber auch den Umstand, dass die Klima-Allianz mit ihrem Abgang die bisher knappe Mehrheit verliert, will Garcia nicht gelten lassen: «Es gibt ja immer auch irgendwelche Abwesenheiten.» Ihr grünes Herz verleugne sie dadurch nicht. «Alle Parteien sind heute in den einen oder anderen Themen grün.»

Bei der Ex-Partei sieht man ein anderes Problem: Nur gerade zehn Tage nach den Wahlen die Partei zu wechseln, ist für die Zürcher GLP-Co-Chefin Corina Gredig (35) aus Sicht der Demokratie schwierig. «Im Wahlkreis von Isabel Garcia haben die Wähler einmal FDP und einmal GLP gewählt. Jetzt bekommen sie zweimal FDP. Das spiegelt den Wählerwillen nicht wider», sagt sie. Die Partei werde nun das Gespräch mit Isabel Garcia suchen und schauen, ob es eine Lösung gebe.

Deutliche Worte und Frust

Auf linker Seite nimmt man den Parteiwechsel mit gemischten Gefühlen zur Kenntnis. «Für die Klima-Allianz im Kantonsrat war es schon vorher relativ knapp. Nun wird es eben noch etwas knapper», gibt sich SP-Co-Präsident Andreas Daurù halbwegs gelassen. Es werde nun darum gehen, wichtige Anliegen noch breiter abzustützen. Und bei Abstimmungen auf die Präsenz der eigenen Reihen zu achten. Und dennoch: «Mich erstaunt schon, dass man so kurz nach den Wahlen die Partei wechselt.»

Deutliche Worte wählt Michael Sorg, ehemaliger Sprecher der SP Schweiz: «Demokratisch schlicht eine Sauerei und ein Betrug an den Zürcher Wählern und Wählerinnen. Wenn sie nur einen Funken Anstand hat, tritt sie zurück.»

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Frustriert zeigt sich auch Simon Meyer. Der Co-Präsident der Grünen sieht die Klima-Allianz im Kantonsrat nochmals geschwächt: «Das ist sehr enttäuschend, denn wir sollten beim Klimaschutz dringend vorwärtsmachen. Nun werden wir nochmals ausgebremst.» Es sei schon sehr dreist, so kurz nach den Wahlen die Partei zu wechseln. «Das ist fast schon vorsätzliche Täuschung», findet Meyer. «Isabel Garcia sollte sich bei ihren Wählerinnen und Wählern entschuldigen.» (sf/dba)

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