Weil die Grünen-Nationalrätin beim Frauenstreik vermittelte
Basler Justiz will Immunität von Sibel Arslan aufheben

Wegen des Frauenstreiks 2020 hat Sibel Arslan die Basler Staatsanwaltschaft am Hals: Diese verlangt, dass die parlamentarische Immunität der Grünen-Nationalrätin unter anderem wegen Verstosses gegen die Covid-Verordnung aufgehoben wird.
Publiziert: 23.08.2021 um 01:07 Uhr
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Aktualisiert: 23.08.2021 um 14:20 Uhr
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Die Basler Staatsanwalt beantragt die Aufhebung der parlamentarischen Immunität von Grünen-Nationalrätin Sibel Arslan.
Foto: Keystone
Gianna Blum

Dass vom Parlament verlangt wird, die parlamentarische Immunität eines seiner Mitglieder aufzuheben, kommt selten vor. Doch wie Blick aus mehreren voneinander unabhängigen Quellen erfahren hat, wird sich die Immunitätskommission des Parlaments am 7. September mit der Immunität der Basler Grünen-Nationalrätin Sibel Arslan (41) auseinandersetzen.

Meist drehen sich Gesuche um eine Aufhebung der Immunität um den Verdacht auf Korruption, Amtsgeheimnisverletzung oder Rassendiskriminierung. Nicht so bei Arslan: Ihr werden vergleichsweise harmlose Vorwürfe gemacht. Die Basler Staatsanwaltschaft will gegen sie vorgehen, weil sie unter anderem an einer unbewilligten Demonstration teilgenommen und gegen die Covid-Verordnung verstossen haben soll.

Zu vermitteln versucht

Arslan bestätigt, dass es sich dabei um den Frauenstreik vom vergangenen Jahr handelt, will sich aber nicht zum Antrag äussern. Der 14. Juni 2020 hatte national für Schlagzeilen gesorgt. Neben einer Reihe bewilligter Kundgebungen fand auch eine unbewilligte statt, bei der eine Gruppe Aktivistinnen die Basler Johanniterbrücke blockierte und von der Polizei eingekesselt wurde. Arslan war laut den damaligen Medienberichten nicht Teilnehmerin, sondern herbeigerufen worden, um zwischen den Demonstranten und den Polizeikräften zu vermitteln. Ihr Versuch scheiterte letztlich, Schlagzeilen machte vor allem die Szene, als die Nationalrätin von Polizisten zur Seite gezerrt wurde.

Dass Arslan zu vermitteln versuchte, anerkannten auch die Behörden. Sie sei «weder verhaftet noch gebüsst» worden, gab ein Polizeisprecher einige Tage nach dem umstrittenen Polizeieinsatz verschiedenen Medien zu Protokoll. Und der damalige Basler Sicherheitsdirektor, der inzwischen abgewählte Baschi Dürr (44, FDP), sagte zu Telebasel: «Sibel Arslan hat sich der Polizei zur Verfügung gestellt, um zu vermitteln. Das kann auch durchaus konstruktiv wirken.»

Aufhebung ist selten

Warum die Staatsanwaltschaft nun so schweres Geschütz auffährt, ist nicht bekannt: Sie will sich mit Verweis auf das Amtsgeheimnis nicht zum Fall äussern. Vergangenen Herbst hatte sie der «Basler Zeitung» mitgeteilt, dass mehrere Anzeigen bei der Kantonspolizei eingegangen seien, die abgeklärt würden.

Die Immunitätskommission des Parlaments wird als Erstes entscheiden müssen, ob überhaupt ein unmittelbarer Zusammenhang mit Arslans Nationalratsmandat besteht – wenn nicht, können die Basler auch ohne grünes Licht aus Bern ermitteln. Tritt die Kommission auf das Gesuch ein, wird sie entscheiden müssen, ob die Immunität tatsächlich aufgehoben wird. Was unwahrscheinlich ist, denn in den letzten zehn Jahren ist das erst zweimal geschehen – beide Male wegen Korruptionsvorwürfen.

Kopp, Miesch und Lauber

Für Äusserungen in den Räten und Organen geniessen Parlamentarierinnen und Parlamentarier absolute Immunität vor Strafverfolgung, die nicht aufgehoben werden kann. So soll die – demokratisch notwendige – Diskussion sichergestellt werden. Wer hingegen strafbare Handlungen im Zusammenhang mit seiner amtlichen Stellung und Tätigkeit verübt, geniesst nur eine sogenannt relative Immunität. Sie kann vom Parlament aufgehoben werden. Entsprechende Anträge gab es in der Schweiz seit 2012 erst neun Mal, in zwei Fällen wurde sie auch aufgehoben: Bei alt Nationalrat Christian Miesch wegen der Kasachstan-Affäre und bei Bundesanwalt Christian Lauber. Bei Regierungsmitgliedern ist die Immunität in der Schweizer Geschichte erst ein einziges Mal aufgehoben worden: Der 1989 zurückgetretenen Elisabeth Kopp.

Für Äusserungen in den Räten und Organen geniessen Parlamentarierinnen und Parlamentarier absolute Immunität vor Strafverfolgung, die nicht aufgehoben werden kann. So soll die – demokratisch notwendige – Diskussion sichergestellt werden. Wer hingegen strafbare Handlungen im Zusammenhang mit seiner amtlichen Stellung und Tätigkeit verübt, geniesst nur eine sogenannt relative Immunität. Sie kann vom Parlament aufgehoben werden. Entsprechende Anträge gab es in der Schweiz seit 2012 erst neun Mal, in zwei Fällen wurde sie auch aufgehoben: Bei alt Nationalrat Christian Miesch wegen der Kasachstan-Affäre und bei Bundesanwalt Christian Lauber. Bei Regierungsmitgliedern ist die Immunität in der Schweizer Geschichte erst ein einziges Mal aufgehoben worden: Der 1989 zurückgetretenen Elisabeth Kopp.

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