Die schlechte Nachricht: Dem Klima hat die Besetzung des Bundesplatzes nicht viel gebracht. Die gute: dem Volk schon. Dank der Protestaktion konnte dieses seine Vertreter einmal von einer anderen Seite kennenlernen. Wenn auch nicht von der besten.
Kopfschüttelnd beobachtete das Land, wie wenig es braucht, um selbst die erfahrensten Politiker auf die Palme zu bringen. Ein paar harmlose Aktivisten reichen, um ihnen die Zornesröte auf die Stirn zu treiben und jeden Anstand fahren zu lassen. So wie bei SVP-Nationalrat Roland Rino Büchel (54), der die Klimajugendlichen als «Arschlöcher» beschimpfte, die den «Rüssel heben» und «abfahren» sollten.
Wie kann man so die Nerven verlieren?
Klar, die Aktion auf dem Bundesplatz war illegal, und die Stadt Bern reagierte einmal mehr zaudernd und zu spät. Doch wie kann man derart die Nerven verlieren wegen Yoga-Stunden und veganer Burger? Und das als bürgernahe Milizpolitiker, als die sie sich verstehen?
Weltanschaulich bedingt hatte der politische Furor eine rechte Schlagseite – doch auch bei Linken führte die Klimademo zu verbalen Entgleisungen. Jacqueline Badran (58), Zürcher SP-Nationalrätin, machte ihrem Ruf alle (zweifelhafte) Ehre. In einer für sie typischen Tirade fluchte sie über Journalisten, weil die immer nur über «dä huere fucking Glarner» berichteten – und nicht über die Anliegen der Klimajugend.
Sogar für Badran starker Tobak
Man sollte sich nun keine falschen Vorstellungen machen: Auch in den Seitengängen des Bundeshauses ist der Ton zwar herzlich, aber oft auch rau. Doch einen Ratskollegen in aller Öffentlichkeit so zu beleidigen – das ist sogar für eine Kettenraucherin wie Badran starker Tobak.
Wobei der so beleidigte Andreas Glarner (57) nicht in die Opferrolle passt. In der Hitze eines Gefechts über die Klima-Demo nannte der SVP-Nationalrat seine grüne Basler Ratskollegin Sibel Arslan (40) «Arschlan» – wofür er sich später entschuldigte.
Wenn der Rechtsstaat nicht Rechtsstaat ist
Glarner sprach ihr auch das Recht ab, überhaupt im Parlament zu sitzen. Denn für den Aargauer ist die in der Türkei geborene Arslan gar keine richtige Schweizerin. «Das nennt sich Recht und Ordnung, das hat es in deinem Staat nicht gegeben», schleuderte er ihr öffentlich ins Gesicht.
Was nicht einer gewissen Ironie entbehrt. Glarner, der gegenüber der illegalen Besetzung auf den Rechtsstaat pochte, nimmt es damit selbst nicht so genau. Laut dem Gesetz gibt es nämlich keine Papierli-Schweizer. Sondern nur Bürger und Nichtbürger. Gut, Wutbürger offenbar auch. Vor der Bundeshauskuppel, aber manchmal auch darunter.