Seit Februar 2022 führt Russland einen gross angelegten Angriffskrieg gegen die Ukraine. An die 17 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer sind seither aus ihrer Heimat geflohen. Über 60'000 Menschen sind laut der Nachrichtenagentur Reuters bisher im Krieg getötet worden.
Für diejenigen Menschen, die in der Ukraine geblieben sind, gehören Bomben-Alarme und nächtliche Raketenangriffe zum Alltag. Zahlreiche ukrainische Kinder wurden nach Russland entführt. Und trotzdem versuchen die Menschen im Kriegsgebiet, so gut es geht, weiter einer Art Alltag nachzugehen. Es ist ein Leben zwischen Krieg und Normalität.
Das hat die «Weltwoche» unter Verleger und SVP-Nationalrat Roger Köppel (58) nun dazu veranlasst, am Wochenende einen Artikel unter dem Titel «Partystimmung statt Kriegsangst» zu veröffentlichen. Sie stützt sich dabei auf ein Tiktok-Video, das Menschen offensichtlich in Kiew zeigt, die an der Poolbar des Fifty Beach Club eine Party feiern.
«Aufnahmen lassen nicht den Eindruck von Krieg entstehen»
Die «Weltwoche» schreibt: «Ein virales Video löst Zweifel bei den Unterstützern der Ukraine aus. Während Geld für Munition fliesst, feiern Hunderte von Ukrainern in einem Strandklub in Kiew.»
Zum Link zum Artikel postete die «Weltwoche» zudem ein weiteres Video auf dem Kurznachrichtendienst X (vormals Twitter). Darin werden Strassenszenen aus dem ukrainischen Lwiw gezeigt. Menschen, die durch die Stadt flanieren, in Cafés sitzen oder Strassenmusikern zuhören. Garniert wurde der Post mit dem Zusatz: «Die Aufnahmen lassen jedenfalls nicht den Eindruck von Krieg entstehen.»
Für den Post hagelt es Kritik. Auch von Prominenten, wie etwa Paul Ronzheimer (38), dem stellvertretenden Chefredaktor der «Bild»-Zeitung. Kein Reporter war so lange im Ukraine-Krieg und so dicht dran wie Ronzheimer. Er traf die Klitschko-Brüder und war mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski (45) an der Front.
«Nur noch ekelhaft»
An die Adresse von Köppel und seiner «Weltwoche» schreibt er auf X: «Ihre Tweets sind häufig populistisch und verfälschend. Das, was Sie hier machen, ist nur noch ekelhaft. Während Sie dieses Video hochgeladen haben, starben Ukrainer im Osten und Süden des Landes im Schützengraben.»
Und Ronzheimer fragt: «Was versuchen Sie hier? Wollen Sie den Menschen absprechen, dass Sie in einem Land im Krieg leben, weil sie weiterleben? Verlangen Sie, dass es kein Leben mehr geben darf? Das, was Sie machen, ist nur eines: Abgrundtief böse.»
«Verstörend und schamlos»
Damit nicht genug. Köppel kriegt die Kappe auch aus Österreich gewaschen. So schreibt Florian Klenk (50), Chefredaktor der Wochenzeitung «Falter», an die Adresse des Zürchers: «Vor einigen Jahren habe ich einmal den Roger Köppel getroffen. Ein ungewöhnlicher Typ, er dachte anders als ich, aber es war interessant, mit ihm zu reden, ihm zuzuhören. Was er in Sachen Putin treibt, ist aber nur noch verstörend und schamlos. Schade.»
Tatsächlich fällt auf, wie Roger Köppel immer wieder Verständnis für den russischen Präsidenten Wladimir Putin (70) zeigt, während andere SVP-Politiker wie alt Bundesrat Adolf Ogi (81) Köppels Putin-Versteher-Kurs längst bemängeln: Noch länger bei Putin zu verharren, hätte Köppel wohl die Wiederwahl gekostet und der SVP geschadet, meint der einstige Magistrat. «Sein Kampf gegen alles – Bundesrat, Europa und die USA – wirkt nicht mehr. Jetzt merkt er es, enfin», so Ogi zur Ankündigung Köppels, im Oktober nicht mehr zur Wiederwahl für den Nationalrat anzutreten.
Köppel schiesst zurück
Am Montag hat Köppel auf X zurückgeschossen. Er wirft Ronzheimer vor, verfälschend, und einseitig über den Krieg in der Ukraine zu berichten. Der deutsche Reporter wiederum warf Köppel daraufhin vor, er sei im Widerspruch seiner eigenen Propaganda gefangen.
Ronzheimer und Köppel liefern sich seit Wochen auf X einen verbalen Kampf wegen des Kriegs in der Ukraine. Roger Köppel hat auf eine Anfrage von Blick nicht reagiert. (oco)