Das Kinderspiel «Ich sehe was, was du nicht siehst» gibt es auch bei der Polizei. Dort müsste es «Ich kenne jemanden, den du nicht kennst» heissen. Denn wie Michael Leupold (54), Kommandant der Aargauer Kantonspolizei, gegenüber dem «Tages-Anzeiger» sagt, fehlt der Austausch zwischen den kantonalen Polizeikorps.
Wird nach einer Person nicht national oder international, sondern nur kantonal gefahndet, erfahren dies die anderen Kantone nicht direkt. Eine schnelle Abfrage gibt es nicht. Auch, weil die 26 Kantone je ein eigenes Informationssystem haben, was den Datenfluss nicht vereinfacht.
Polizei muss rumtelefonieren
Die Folgen sind absurd: Hält die Polizei eine verdächtig wirkende Person bei einer Polizeikontrolle an, so muss sie die Einsatzzentrale anfunken. Diese ruft dann bei möglichst vielen anderen Kantonen an, um Auskunft über den Automobilisten zu erhalten. Eine halbe Stunde ist schnell verstrichen.
«Verdächtige so lange hinzuhalten, ist nicht nur personalintensiv und für Unbescholtene eine Zumutung, sondern auch gefährlich, sollte es sich tatsächlich um einen gewaltbereiten Kriminellen handeln», sagt Leupold.
Und: Dieses Vorgehen begünstige Mafiosi und Cyberkriminelle, die so weniger gut aufgespürt werden können. Laut einem Bericht des Kantons Basel-Landschaft zum interkantonalen Datenaustausch würde ein einheitliches System ausserdem helfen, um gegen Serientäter vorzugehen.
Frühestens 2026 bereit
Ende 2021 hat die Kantonale Justiz- und Polizeidirektorenkonferenz (KKJPD) zwar beschlossen, die rechtliche Grundlage für eine zentrale Datenerfassung für alle Kantone zu schaffen. Und rein technisch sei man schon weit.
Das System ist dennoch noch nicht im Einsatz, auch aufgrund des Föderalismus. Die Kantone besitzen Polizeihoheit. Einer zentralen Datenerfassung müssten alle zustimmen. Laut der KKJPD dauert der Prozess noch bis mindestens 2026. (lui)