Wegen alarmierend vieler Fälle
Bundesrat sagt Inzest den Kampf an

Über 100 Parlamentarier und Parlamentarierinnen wollen Inzest bekämpfen. In der Schweiz ist das Thema noch immer tabu, die Dunkelziffer von Inzestfällen dürfte hoch sein. Der Bundesrat will nun Lösungswege aufzeigen.
Publiziert: 17.05.2024 um 00:12 Uhr
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Aktualisiert: 17.05.2024 um 11:31 Uhr
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Missbrauch findet oft innerhalb der Familie statt.
Foto: imago/photothek
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Céline ZahnoRedaktorin Politik

Sie dachte, es gehöre zu einer normalen Vater-Tochter-Beziehung. Ex-Miss-Schweiz Sarah Briguet (53) musste in ihrer Kindheit Inzest erleben. Missbraucht vom eigenen Vater, offenbarte sie vor drei Jahren im Blick. Noch viele Jahre danach haben sich die Szenen tagtäglich vor ihrem inneren Auge abgespielt.

«Als Kind dachte ich, das gehöre zur normalen Vater-Tochter-Beziehung»
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Missbrauch als Kind:«Ich dachte, das gehört zur Vater-Tochter-Beziehung»

Missbrauch findet oft zu Hause statt: Väter, Mütter oder Geschwister werden zu Tätern. Zwischen 2010 und 2020 kam es in der Schweiz jährlich im Schnitt in sechs Fällen wegen Inzest zu Verurteilungen. Die tatsächliche Zahl dürfte aber weit höher sein.

Kinder schweigen oft

Oft erzählen Kinder nämlich gar nicht erst von erlebtem Inzest. Dafür gibt es verschiedene Gründe, sagt Mischa Oesch (48), leitende Psychologin der Kinderschutzgruppe im Inselspital. Jüngere Kinder würden Missbrauch oft gar nicht erkennen. «Ältere Kinder wollen damit niemanden belasten, sie schämen sich, fürchten, dass ihnen niemand glaubt, sie wurden emotional unter Druck gesetzt oder wollen den Täter als Bezugsperson nicht verlieren.»

Noch schwieriger sei es, ein Familienmitglied dann auch anzuzeigen und vor Gericht gegen es auszusagen, sagt Tamara Parham vom Kinderschutz Schweiz. Daran könnten Familien zerbrechen.

Keine offiziellen Zahlen

Offizielle Zahlen zu Inzest gibt es nicht. Nur Geschlechtsverkehr mit Penetration wird rechtlich als Inzest klassifiziert. Eine Erhebung von Kinderschutz Schweiz zeigt aber alarmierende Zahlen. Im Jahr 2021 gab es 5545 Beratungen bei den Schweizer Opferhilfen zu sexuellen Handlungen mit Kindern. In rund der Hälfte dieser Fälle stammt die Tatperson aus der Familie oder der Verwandtschaft.

Der Bundesrat will sich nun des Themas annehmen und eine umfassende nationale Untersuchung zum Ausmass von Inzest erstellen. Der Bericht soll zeigen, wie Inzest zu verhindern ist und Opfer besser unterstützt werden können. «Es ist unsere Pflicht als Gesetzgeber, alle notwendigen Massnahmen zu ergreifen, um die Schwächsten in unserer Gesellschaft zu schützen», schreibt der Grünen-Nationalrat Christoph Clivaz (55) in einem Vorstoss.

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