Wegen Abrechnungspuff
Just Eat kürzt Kurieren den Zahltag

Der Blick auf die Lohnabrechnung war für viele Kuriere des Essenslieferdiensts Just Eat ein Schock: Plötzlich werden ihnen teilweise Hunderte Franken vom Lohn abgezogen.
Publiziert: 24.12.2021 um 14:07 Uhr
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Die Fahrerinnen und Fahrer von Just Eat – früher Eat.ch – bekommen seit November weniger Lohn.
Foto: Keystone
Lea Hartmann

Weniger Lohn – und das ausgerechnet kurz vor Weihnachten: Der Blick aufs Lohnkonto war für viele Fahrerinnen und Fahrer des Essenslieferdienstes Just Eat im November ein Schock. Hunderte Franken weniger als sonst bekamen sie ausbezahlt. Und auch das diese Woche überwiesene Dezember-Gehalt fiel bei zahlreichen Velokurieren viel tiefer aus als gewohnt.

Blick liegt die Lohnabrechnung eines Fahrers vor, dem im Dezember rund 40 Prozent des Bruttolohns abgezogen worden sind. Es geht um mehrere Hundert Franken – den konkreten Betrag kann Blick wegen des Persönlichkeitsschutzes nicht nennen. «Ich hatte das Geld eigentlich für Weihnachtsgeschenke vorgesehen. Jetzt reicht der Lohn dafür nicht», sagt Kurier Luca S.*

Es gab ein Durcheinander

Der Abzug sei völlig überraschend erfolgt, so der Betroffene. Aus der Lohnabrechnung geht hervor, dass er wegen Ferienbezugs im Vormonat erfolgte. Dazu muss man wissen: Just Eat (früher Eat.ch) zahlt die Kuriere im Stundenlohn. Zusätzlich zum Bruttolohn erhalten sie einen Ferien- und Feiertagszuschlag. Trotzdem wurde den Kurieren aber auch während der Ferien der Lohn weiter ausbezahlt.

Damit bezahlte Just Eat die Fahrer in den Ferien eigentlich doppelt. So richtig habe niemand gewusst, warum das so sei, erzählt Kurier S. Auf Nachfrage hätten die Chefs durchblicken lassen, ihnen sei bewusst, dass es ein Durcheinander sei. «Es ist alles extrem intransparent und zermürbend», kritisiert der Fahrer. Ein Grund dafür dürfte die Firmenstruktur sein: Der Mutterkonzern von Just Eat hat seinen Sitz in Amsterdam, von dort erhalten die Schweizer Kuriere auch ihren Lohn. Die Fahrer kommunizieren hauptsächlich via App mit ihrem Arbeitgeber.

Kuriere wurden überrumpelt

Erst mit der Lohnabrechnung haben die Kuriere laut S. erfahren, dass Just Eat offensichtlich die Praxis geändert hat. Ende Oktober haben die Mitarbeitenden zwar ein Mail bezüglich der Regelung zum Ferienbezug erhalten. Während der Ferien würde kein Lohn ausbezahlt, heisst es darin. Doch dass es sich dabei um eine Neuerung handelt – die eine massive Reduktion des Lohns zur Folge hat – schrieb Just Eat seinen Fahrern nicht.

Die Gewerkschaft Syndicom hat bei Just Eat wegen der faktischen Lohnkürzung interveniert, nachdem sich Dutzende Fahrer bei ihr gemeldet hatten. Bisher zeigt der Protest der Gewerkschaft allerdings keine Wirkung. «Es hiess, man werde das Ganze anschauen und uns dann nach den Ferien eine Antwort geben», sagt Zentralsekretär David Roth (36). Doch so lange will der Gewerkschafter nicht warten: «Es kann nicht sein, dass das Management in die Ferien geht, während die Fahrerinnen und Fahrer ohne Geld dasitzen. Wir erwarten eine Lösung vor Weihnachten.»

Just Eat spricht von «Systemfehler»

Just Eat wehrt sich auf Anfrage von Blick gegen die Darstellung, dass es sich um eine Lohnkürzung handelt. Bei einer Kontrolle habe der Mutterkonzern festgestellt, dass bis im September 2021 Ferienentschädigungen doppelt ausbezahlt worden seien. Just Eat bezeichnet dies als «Systemfehler». «Alle in der Vergangenheit zu hoch bezahlten Beträge wurden nicht eingefordert, jedoch haben wir den Fehler nun für die Zukunft korrigiert.»

Man bedauere den «technischen Fehler» ausserordentlich. Die Konzerngesellschaft habe ihn gegenüber den Fahrern umgehend und transparent kommuniziert. «Fahrer, die nicht mehr die doppelte Ferienentschädigung erhalten haben, wurden von uns kontaktiert, um eine gemeinsame Lösung zu finden.»

Fahrer S. hingegen sagt, er sei nie persönlich kontaktiert worden – «und viele andere auch nicht». Er sagt: «Das, was sie jetzt einen Fehler nennen, wurde über Jahre so gehandhabt und war schon lange bekannt.»

* Name geändert

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