WEF-Gründer Klaus Schwab fordert schnelle Massnahmen gegen die Pandemie
«Staat muss alles tun, um Wachstum zu stoppen»

Zwischen Gesundheit und Wirtschaft abzuwägen, sei falsch, findet Klaus Schwab (82). Der Gründer des World Economic Forum erklärt in einem Gastbeitrag, warum die Wirtschaft darauf angewiesen ist, dass die Pandemie schnell eingedämmt wird.
Publiziert: 26.10.2020 um 23:37 Uhr
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Corona hat die Schweiz fest im Griff.
Foto: Keystone
Klaus Schwab

Ich bin zwar kein Virologe, aber ich habe mich beim Schreiben meines Buches «Covid-19: Der grosse Umbruch», das auf Amazon zum Bestseller wurde, eingehend mit den wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Pandemie beschäftigt.

Wie in diesem Buch ausgeführt, ist es ein Irrglaube, dass wir zwischen Wirtschaft und Gesundheit wählen müssen. Wenn das Virus sich ungebremst und mit exponentieller Geschwindigkeit ausbreitet, muss man davon ausgehen, dass bei einem derzeitigen Multiplikator von 1,6 – das heisst ein Kranker steckt im Schnitt 1,6 weitere Personen an – der 14-Tage-Durchschnitt von Infektionen kontinuierlich um etwa 50 Prozent wächst. Selbst wenn der Multiplikator auf 1,1 gesenkt wird, ergibt sich immer noch fast eine Verdoppelung bis Ende dieses Jahres.

«Eine florierende Wirtschaft braucht gesunde Leute»

Die Konsequenz wäre verheerend für das Gesundheitswesen, aber auch für die Wirtschaft. Eine florierende Wirtschaft braucht gesunde Leute, die mit Zuversicht in die Zukunft sehen und die dementsprechend konsumieren und investieren.

Zur Person

Klaus Schwab (82) studierte u. a. Maschinenbau an der ETH Zürich und erwarb insgesamt fünf akademische Grade. 1971 führte er zusammen mit seiner Frau Hilde das erste Weltwirtschaftsforum in Davos GR durch. Im Januar fand die 50. Ausgabe statt – das hochkarätigste Treffen der Welt! Das World Economic Forum (WEF) mit Sitz in Cologny bei Genf beschäftigt fast 1000 Personen.

Klaus Schwab (82) studierte u. a. Maschinenbau an der ETH Zürich und erwarb insgesamt fünf akademische Grade. 1971 führte er zusammen mit seiner Frau Hilde das erste Weltwirtschaftsforum in Davos GR durch. Im Januar fand die 50. Ausgabe statt – das hochkarätigste Treffen der Welt! Das World Economic Forum (WEF) mit Sitz in Cologny bei Genf beschäftigt fast 1000 Personen.

Mit anderen Worten, der Schaden für die Wirtschaft ist langfristig schwerwiegender und nachhaltiger, wenn nicht jetzt energisch gehandelt wird. Schon bei den jetzigen Infektionszahlen, die ja nicht alle Infizierten umfassen, haben wir bis Jahresende fast eine halbe Million zusätzliche Erkrankungen.

«Wir müssen die Kontakte beschränken»

Solange es keine effektiven und in genügender Zahl zur Verfügung stehenden Impfstoffe gibt, haben wir nur eine gemeinsame Aufgabe: den Multiplikator dringend auf unter 1 zu drücken, wie es uns im Frühling gelungen ist. Und die einzige Politik, die uns dafür zur Verfügung steht, ist, die Kontakte zu beschränken. Durch die Anwendung der drei fundamentalen Regeln (Abstand, Hygiene, Masken) kann man dieses Ziel erreichen – vorausgesetzt, jeder hält sich daran.

Um die Effizienz von Masken zu verstehen, muss man wissen, dass ein enger Kontakt von zwei Personen, von denen eine Träger des Virus ist, mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Ansteckung führt. Tragen aber beide Masken mit einem Schutzfaktor von 75 Prozent (oft 95 Prozent), dann ist die Ansteckungsgefahr nur noch 6,25 Prozent!

«Moralische Bankrotterklärung»

Der Staat hat also auch im Interesse der Wirtschaft die Aufgabe, alles zu tun, um das exponentielle Wachstum so rasch wie möglich zu stoppen, vor allem dort, wo Selbstdisziplin nicht ausreicht. Sich auf die sogenannte Herdenimmunität zu verlassen, ist nicht nur für die Wirtschaft längerfristig ein Fiasko, sondern wäre auch eine moralische Bankrotterklärung unserer Gesellschaft.

Wir als hochentwickelter und zivilisierter Staat sollten in der Lage sein, das Gesundheitssystem so aufrechtzuerhalten, dass würdevolles Sterben gewährleistet werden kann. Ein wirtschaftlicher Schaden kann zumindest langfristig repariert werden, verlorenes menschliches Leben ist unwiederbringlich.

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