Wahl zum Generalsekretär des Europarats – alt Bundesrat machte 38 Stimmen
Berset hat in Strassburg gute Chancen

Der frühere SP Bundesrat Alain Berset konnte am meisten Stimmen für die Wahl zum Generalsekretär des Europarats auf sich vereinigen. Jetzt muss er die Mitglieder der Parlamentarischen Versammlung überzeugen.
Publiziert: 29.03.2024 um 17:07 Uhr
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Der frühere SP-Bundesrat Alain Berset will nach Strassburg.
Foto: keystone-sda.ch
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Pascal TischhauserStv. Politikchef

Die Adresse passt: Alain Berset (51) würde am Kaiserplatz in Strassburg logieren, sollte er am 25. Juni zum Generalsekretär des Europarats gewählt werden. Bei Empfängen servieren hier die Bediensteten das Dinner im Frack. Ausserdem winken 300'000 Euro Lohn – steuerfrei.

Plus Ruhegehalt für alt Bundesräte von etwas mehr als 230'000 Franken käme Berset ein Einkommen von 470'000 Franken – mehr als zu seiner Zeit in der Landesregierung. Deshalb müsste er über 60'000 Franken seines Ruhegehalts wieder abgeben – verkraftbar.

Das Einkommen, die Butler, das Palais in Strassburg – zum schillernden Berset, der den grossen Auftritt mag und den staatsmännischen Auftritt kann, passt das hierzulande eher unbekannte Amt des Generalsekretärs des Europarats gut.

Zwei ungleiche Gegner

Gegen den früheren SP-Magistraten treten der gleichaltrige Este Indrek Saar und der Belgier Didier Reynders (65) an. Der einstige Schauspieler und Theaterdirektor Saar gehört der gleichen Partei an wie Berset. Politisch ist er im Vergleich zum Freiburger Sozialdemokraten aber ein Leichtgewicht. Saar brachte es gerade einmal zum Kulturminister.

Reynders hingegen hatte nicht nur das Amt des Finanzministers, des Aussenministers und des Verteidigungsministers inne, er war auch Vize-Premierministers und er ist seit Dezember 2019 EU-Kommissar für Justiz und Rechtsstaatlichkeit.

Der Belgier kandidiert schon zum zweiten Mal. 2019 war er gegen die Kroatin Marija Pejcinovic Buric (60) unterlegen. Dass er es gegen die – so heisst es – schwache Kandidatin den Kürzeren zog, spricht so wenig für ihn wie sein fortgeschrittenes Alter.

Am meisten Ja, die wenigsten Neins

Am Montag entschied das Ministerkomitee des Europarats, alle drei Kandidaten zur Wahl zu empfehlen. Bekannt wurde auch, dass Alain Berset vorne liegt. Die genauen Wahlresultate wurden nicht bekannt gegeben.

Laut Blick-Informationen erhielt Berset 38 Ja- und 4 Nein-Stimmen bei einer Enthaltung. Saar bekam demnach 34 Ja- und 6 Nein-Stimmen, bei 3 Enthaltungen. 33 Ja- und 9 Nein-Stimmen gingen für Reynders ein. Bei ihm sollen sich 2 Personen enthalten haben.

Auch wenn der Schweizer vorne liegt: Keiner der Kandidaten ist abgeschlagen. Ausserdem werden die Karten nun neu gemischt. Denn am 25. Juni entscheidet die Parlamentarische Versammlung des Europarats, wer aus dem Trio das Rennen macht. Das sind rund 300 Wählende, die je noch eine Vertretung haben. Klar ist nur: leicht mehr als 300 Personen aus diesen 600 werden jemandem vom vorgeschlagenen Dreierticket zum neuen Generalsekretär machen.

Das spricht gegen Berset

Da Berset und Saar derselben Parteifamilie angehören, könnten sich die sozialdemokratischen Stimmen teilen. Ausserdem gehörte Saar einst der estnischen Delegation im Europarat an. Er ist also «einer der ihren», was ihm Stimmen bringen dürfte. Diese Punkte sprechen gegen den Schweizer.

Dass der frühere Innenminister aber zweimal Bundespräsident, also Staatsoberhaupt war, hilft ihm. Und dass er einst ein recht erfolgreicher 800-Meter-Läufer war, dürfte dem Einen oder Anderen in der Parlamentarischen Versammlung ebenfalls gefallen. Und der hierzulande eher mit einem Skandal verbundene Pilotenschein kann in Strassburg ebenfalls Eindruck machen. 

Alles andere als beeindruckt ist jedoch Mitte-Präsident Gerhard Pfister (61). Auf den sozialen Medien schiesst er gegen den «Kriegsrausch-Behaupter» Berset, weil dieser als Bundespräsident in einem Interview zum Ukraine-Krieg sagte, er spüre «in gewissen Kreisen einen Kriegsrausch». In seiner wenig zurückhaltenden Wahlbroschüre hat Berset jedoch eine Kurskorrektur vorgenommen. Gegenüber Russland kritischer zu sein kommt besser an.

Sein Auftreten hilft

Auch wenn hierzulande Bescheidenheit eher besser ankommt, finden viele in Strassburg, dass jemand mit einem staatsmännischen Auftreten wie Berset dem Europarat guttue. Und dass er eben nicht aus einem EU-Land kommt, spricht aus Sicht vieler ebenfalls für den Freiburger, zumal nach der Kroatin Pejcinovic Buric jetzt wieder ein Vertreter der Nicht-Mitglieder an der Reihe sei.

Dennoch staunen viele in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, mit welchem Elan der einstige Schweizer Leistungssportler das Rennen von hinten aufgerollt und die beiden Widersacher überholt hat.

Bundesratsjet nicht genutzt

Doch Berset ist eben nicht allein. Ihm zur Seite steht ein Team im Aussendepartement (EDA). Selbst den Bundesratsjet dürfte Berset für seinen Wahlkampf nutzen, teilt das EDA auf Anfrage mit. Er habe von dieser Möglichkeit aber bislang keinen Gebrauch gemacht. 

Wenn in Bern vom 15. bis 17. April die Sondersession des Nationalrats läuft, stellen sich die drei Kandidaten den verschiedenen Fraktionen im Europarat vor. Die meisten Nationalratsmitglieder könnten somit in Strassburg fehlen. Doch wenn Berset eines beherrscht, dann sind es Auftritte. Er dürfte auch ohne die Unterstützung aus Bern eine gute Falle machen.

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