Der einzige klare Sieger der SRF-«Arena» vom Freitagabend war gar nicht im Studio: Flavio Alessio, Ende Januar zur Welt gekommen, das zweite Kind von FDP-Ständerat Andrea Caroni (35, AR). Kurz vor der Sendung überreichte Bundesrätin Simonetta Sommaruga (55, SP) dem stolzen Papa ein Päckchen mit Babysocken. Roten, versteht sich.
Dann wurde es ernst. Und, wie so oft in diesem Abstimmungskampf um die Durchsetzungs-Initiative der Volkspartei, einigermassen verwirrend. Dass Gegner und Befürworter einer Vorlage sich über die Konsequenzen einer Volksabstimmung nicht einig sind, liegt in der Natur der Sache. Dass aber selbst Juristen wie Caroni und sein «Arena»-Gegenspieler SVP-Nationalrat Gregor Rutz (43, ZH) in der Beurteilung einzelner Fälle uneinig sind, spricht Bände: Würde der verliebte Secondo, der im Nachbargarten für seine Angebetete eine Rose stiehlt, nach einer Annahme ausgeschafft?
Die Gegner sagen Ja. Die Befürworter Nein. Auch Justizministerin Sommaruga trug das Ihre dazu bei, die Verwirrung noch zu vergrössern. Es sei möglich, dass nach einer Annahme die Richter entscheiden müssten, welcher Passage unserer Bundesverfassung sie folgen. Der bereits festgeschriebenen Verhältnismässigkeit staatlichen Handelns oder dem neuen Ausschaffungs-Artikel der Rechtspartei.
IMAGE-ERRORDerweil unterstellte SVP-Chef Toni Brunner seinen Gegnern, sich lieber um die Täter als um die Opfer kümmern zu wollen. «Die Bundesrätin hat wieder nur über die Täter geredet», so der Toggenburger. So widersprüchlich die Sendung, so unterschiedlich fällt denn auch die Beurteilung der Diskussionsteilnehmer durch den SonntagsBlick aus.
Diese «Arena» ist symptomatisch für einen Abstimmungskampf, in dem selbst innerhalb der jeweiligen Lager keine Klarheit über den Inhalt der Initiative herrscht. Die Argumente zielen aneinander vorbei. Fallen jugendliche Ausländer nun unter die Bestimmung? Ja und nein, heisst es bei der SVP. Sind Secondos davon betroffen: Klar, sagt die Volkspartei. SVP-Nationalrat und Rechtsprofessor Hans-Ueli Vogt (46, ZH) behauptet das Gegenteil.
Doch die argumentative Slalomfahrt ist kein Alleinstellungsmerkmal der Befürworter: So haben die bürgerlichen Gegner der Vorlage im Parlament grossmehrheitlich auf eine harte Umsetzung der ursprünglichen Ausschaffungs-Initiative gepocht. Volk und Stände hatten diese schliesslich 2010 angenommen. Der Nationalrat wollte gar auf eine Einzelfallprüfung verzichten. Dass FDP-Chef Philipp Müller (63) die neue Initiative im BLICK als «Anschlag auf die Schweiz» bezeichnet, ist sein gutes Recht – besonders glaubwürdig ist es nicht. Die negativen Folgen des grossen Durcheinanders sind schon heute sichtbar. Die politischen Lager stehen sich so unversöhnlich gegenüber wie lange nicht mehr – und das nur wenige Monate nach den letzten Parlamentswahlen.