Eine deutliche Mehrheit der Schweizer Bevölkerung hat Ja gesagt: Tabakwerbung soll überall dort verboten werden, wo sie Kinder und Jugendliche erreicht. Während das Komitee «Kinder ohne Tabak» heute vor zwei Jahren noch die Annahme ihrer Initiative feierten, kämpft es heute um deren verfassungsgemässe Umsetzung.
Das Initiativkomitee stützt sich dabei unter anderem auf einen Bericht des Bundesamtes für Justiz (BJ), das die vorgeschlagenen Anpassungen des Ständerates am Initiativtext untersucht hat. Die kleine Kammer will den Initiativtext nämlich nicht wortgetreu umsetzen und Ausnahmen zulassen, beispielsweise fürs Sponsoring von Musikfestivals. Das Komitee hat darum die Streichung einiger Artikel aus der ursprünglichen Fassung der Initiative explizit als «nicht verfassungskonform» bezeichnet.
«Das ist unschweizerisch»
Als hätte sie die Befunde des BJ überlesen, hat die zuständige Nationalratskommission Mitte Januar den grössten Teil der Vorschläge des Ständerates übernommen. Das hat Hans Stöckli (71), alt Ständerat und Präsident des Vereins «Kinder ohne Tabak», dazu bewogen, sich aus dem «Ruhestand in den Unruhestand» zu begeben. «Das heutige Gesetz entspricht nicht dem, was das Volk damals abgestimmt hat. Das ist unschweizerisch», kritisierte er am Dienstag in Bern vor den Medien.
Was sich zurzeit in den Kommissionen abspiele, sei unanständig. Ihn stört etwa, dass das Verbot von Verkaufsförderung und Sponsoring gestrichen werden soll. Auch in Presseerzeugnissen soll Tabakwerbung entgegen der Initiative erlaubt sein, solange diese mehrheitlich über Abonnements verkauft werden und die Leserschaft mindestens aus 95 Prozent Erwachsenen besteht.
Thomas Gächter, Dekan der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich, hat den ursprünglichen Gesetzestext der Initiative verfasst. Er findet die Anpassungen durch das Parlament ebenfalls problematisch. Besonders heikel sei, dass das Sponsoring durch Tabakkonzerne an gewissen Orten weiterhin erlaubt sein soll.
Zurückpfeifen nicht möglich
Gächter betont: «Es ist wichtig, dass der Volkswille im Parlament umgesetzt wird.» Denn: Es gibt es keine rechtliche Instanz, die das Parlament zurückpfeifen könnte.
Ausser dem Volk. Gemäss dem Initiativkomitee gibt es im Falle einer verfassungswidrigen Umsetzung aber noch keine Pläne für ein Referendum. «Wir sind momentan noch sehr optimistisch», sagt Vanessa Bieri von der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände. Wenn das Parlament doch verfassungswidrig entscheiden würde, «werden wir unsere weiteren Pläne schmieden», so Stöckli. (zac)