Verhandlungen um Gas-Abkommen mit Deutschland
Von wegen fremde Richter!

Noch sind die Verhandlungen ums Solidaritätsabkommen zur Sicherung der Gaslieferungen aus Deutschland nicht abgeschlossen. Von einer Blockade will man im Bundeshaus aber nichts wissen.
Publiziert: 30.07.2022 um 20:23 Uhr
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Berlin soll beim Solidaritätsabkommen auf fremde Richter bestehen, heisst es. Im Bild der deutsche Vizekanzler Robert Habeck.
Foto: imago/HMB-Media
Pascal Tischhauser

Das Solidaritätsabkommen zwischen der Schweiz und Deutschland sei blockiert, berichtete CH Media am Freitag. Der Vertrag, mit dem Energieministerin Simonetta Sommaruga (62) die Wahrscheinlichkeit erhöhen will, dass unser nördlicher Nachbar auch dann noch Gas liefert, wenn es im Winter in ganz Europa knapp würde.

Einmal mehr sollen die fremden Richter einer politischen Einigung entgegenstehen. Denn EU-Staaten müssen Abkommen mit nicht-EU-Staaten im Energiebereich der EU-Kommission vorlegen. Diese prüft das Abkommen dann auf Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht. Fürs Solidaritätsabkommen mit Bern muss Berlin also den Segen aus Brüssel einholen.

Keine Bedingung Deutschlands

«Ein konkretes Problem stellt sich bei der Streitschlichtung: Deutschland hat der Schweiz vorgeschlagen, dass im Streitfall der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheidet», heisst es im CH-Media-Artikel.

«Falsch!», widerspricht man in der Bundesverwaltung. Deutschland habe der Schweiz überhaupt keinen Vorschlag gemacht, wie verfahren werden soll, falls es rund ums Abkommen zu Meinungsverschiedenheiten käme. Und die EU empfehle bloss, dass es im Abkommen eine Regelung zur Streitschlichtung haben sollte. Was stimme: Bern hat Berlin ein Schiedsgericht vorgeschlagen.

Das zuständige Umwelt- und Energiedepartement (Uvek) äussert sich nicht zum Stand der Verhandlungen ums Solidaritätsabkommen, das auf Initiative von Bundesrätin Sommaruga angestrebt wird. Es heisst lediglich: Die Arbeiten dazu seien im Gang.

Abkommen für den Notfall

Das Solidaritätsabkommen würde erst im äussersten Notfall greifen. Zuvor muss eine Kaskade an Massnahmen ergriffen worden sein. Erst gibt es Appelle zum freiwilligen Energiesparen. Dann müssen Unternehmen, die über Zweistoffanlagen verfügen, also über solche, die nicht nur mit Gas, sondern auch mit Öl betrieben werden können, auf Erdöl umstellen. Sollte es dennoch zu einer Mangellage kommen, würden die Gaslieferungen an Firmen, nicht aber für Privathaushalte und Spitäler, kontingentiert. Und wenn das alles noch nicht greifen würde, käme das Abkommen zum Zug, teilt das Uvek mit.

Deutschland hat bereits Solidaritätsabkommen mit Österreich und Dänemark geschlossen. Solche Abkommen seien weitgehend standardisiert, so das Uvek. Sie regeln die täglichen Lieferungen, das heisst, dass die Solidaritätsgesuche jeden Tag erneuert werden müssen. Sie sind für einen Gasmangel von wenigen Tagen, nicht aber für längere Unterbrüche gedacht.

Zweifel an Deutschschweizern

Aber im Energiedepartement ist man sich bewusst, dass es in einer Energiekrise keine Garantie gäbe, dass Deutschland – Vertrag hin oder her – Gas liefert. Es sei deshalb entscheidend, dass die Schweizer Gasbranche dem Auftrag des Bundesrats nachkommt und Speicherkapazitäten in den Nachbarländern und Optionen für zusätzliche Gaslieferungen sichert. Dass dies das Departement von Simonetta Sommaruga immer wieder unterstreicht, weckt Zweifel an der Branche: Beschafft die Schweizer Gasbranche tatsächlich mit dem geforderten Nachdruck die notwendige Gasmenge?

Während es heisst, man sei in der Romandie auf Kurs, gibt es laut Informationen aus der Bundesverwaltung bei den Deutschschweizern bei der Beschaffung noch Luft nach oben. Dabei habe der Bundesrat der Branche klargemacht: «Ihr beschafft auf Teufel komm raus die erforderliche Gasmenge, und wir garantieren euch dafür, dass ihr finanzielle Hilfe kriegt, wenn es diese braucht.»

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