Am Kochherd wirkt Thileeban Thanapalan (38) glücklich. Er steht an seinem Foodstand in Zürich, mischt Zutaten, lächelt, schäkert mit seinen Gästen. Thanapalan bereitet gerade seine Spezialität zu: Kottu Roti, ein Gericht aus seiner Heimat Sri Lanka. Es besteht aus verhacktem Fladenbrot, Eiern, Zwiebeln, Kabis, Lauch, Rüebli und Curry. Die Gäste stehen Schlange dafür, die Sonne scheint, es könnte an diesem Abend nicht besser laufen für Thanapalan. Und doch hat er Sorgen.
Die Auftragsbücher des Zürchers sind voll, er könnte sein Geschäft ausbauen. Nur: Ihm fehlen Fachkräfte, mit denen er all seine potenziellen Aufträge erfüllen könnte. Der Gastrounternehmer betreibt Foodtrucks, macht Caterings, stellt hausgemachte tamilische Spezialitäten her und betreibt einen Curry-Lieferservice. «Ich arbeite sieben Tage die Woche, 14 Stunden am Tag und schufte oft für drei Personen», sagt der dreifache Familienvater.
Fachkräfte aus Sri Lanka dürfen nicht arbeiten
Er wäre für sein Geschäft auf tamilische Fachkräfte angewiesen, die sich in der Zubereitung der Speisen auskennen. Und die für die Identität und Kultur seines Heimatlandes stehen. So hat er bereits sieben Landsleute ausgebildet. Trotzdem ist das nicht so einfach.
Sein Problem: Im Unterschied zu Gastrounternehmen, die sich auf italienisches, griechisches oder spanisches Essen spezialisiert haben und wegen der EU-Personenfreizügigkeit Personal aus den entsprechenden Ländern rekrutieren können, fehlt Thanapalan diese Möglichkeit.
Zwar fänden sich zahlreiche Menschen aus Sri Lanka in der Schweiz, die er beschäftigten könnte, sagt er. Etwa solche, die sich in laufenden Asylverfahren befinden. Oder solche, die abgewiesen sind und auf ihre Wegweisung warten. Aber die Rechtslage kommt Thanapalan hier in die Quere. Abgewiesene Personen oder solche in einem laufenden Asylverfahren dürfen gemäss Asylgesetz nicht in der Schweiz arbeiten.
Thanapalan will Menschen aus der Sozialhilfe holen
Als Arbeitgeber sei das eine unbefriedigende Situation, sagt Thanapalan. «Meine eigentliche Konkurrenz sind nicht andere Gastronomieunternehmen, sondern der Staat.» Er könnte eine Person, die von der Sozialhilfe lebt und zur Untätigkeit verdonnert ist, aus der Sozialhilfe herausholen und diese zu einer Steuerzahlerin oder einem Steuerzahler machen, so der Gastrounternehmer. «Stattdessen kosten diese Menschen die Steuerzahlenden Geld.»
Hinzu komme eine weitere Dimension, erklärt Thanapalan: «Personen, die arbeiten dürfen, verlangen den Lohn oft schwarz. Weil sie dann gleichzeitig noch zusätzliches Geld vom RAV oder der Sozialhilfe erhalten.» Ein Unternehmen mit Schwarzarbeitern aufzubauen, sei einfacher und günstiger, sagt Thanapalan.
Bei der Schwarzarbeit gebe es keine Bürokratie oder Kündigungsfrist, Sozialabgaben, gesetzlich geregelte Pausen, Ruhetage, eine maximale Wochenarbeitszeit oder einen Mindestlohn. Sogar der Gewinn liesse sich abschätzen. Für Thanapalan ist das allerdings keine Option. Er sagt darum: «Will man ein Unternehmen nach den gesetzlichen Regeln aufbauen, dann steht man vor vielen Hürden.»
Einer, der Thanapalans Herausforderungen kennt, ist der Tessiner Mitte-Nationalrat und Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbands, Fabio Regazzi (61). «Für einen Arbeitgeber ist das ein Problem, weil er nicht weiss, ob und wie lange er auf den Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin zählen kann», sagt er Blick.
Regazzi forderte darum 2020 in einer Motion den Bundesrat auf, das Asylgesetz und entsprechende Verordnungen so zu ändern, dass Asylsuchende mit negativem Asylentscheid trotzdem einer Arbeit nachgehen können, solange ihre Wegweisung nicht vollzogen ist.
Es drohen Entlassungen
Die aktuelle Gesetzeslage erlaube es nicht, dass diese Menschen einer Arbeit nachgingen – obschon sie oft während des Asylverfahrens eine vom Staatssekretariat für Migration (SEM) geförderte Berufsausbildung abgeschlossen und eine Arbeitsstelle angetreten hätten, begründete Regazzi seinen Vorstoss. Dies treibe diese Menschen unnötigerweise in die Sozialhilfe. Der Ständerat hat Regazzis Motion abgelehnt, somit ist die Forderung vom Tisch – vorerst.
Thileeban Thanapalan bräuchte jetzt Unterstützung. «Ich rede nicht von Geld, sondern von weniger Behördenbürokratie, damit ich mein Unternehmen unabhängig weiterführen kann.» Bleibt die Situation so, muss den Betrieb allenfalls bald schliessen und seine Mitarbeitenden entlassen – nach 17 Jahren Selbstständigkeit.