Darum gehts
- Schweizer Botschafterin beim Heiligen Stuhl spricht über Papst Franziskus und die Vatikan-Diplomatie
- Vatikan und Schweiz teilen Anliegen im humanitären Völkerrecht und bezüglich Todesstrafe-Abschaffung
- Bundespräsidentin Keller-Sutter reist zur Papst-Beerdigung am Samstag an
Einen Tag nach dem Papst-Tod empfängt Botschafterin Manuela Leimgruber (54) Blick auf einen Espresso in ihrem Büro. Die Schweizer Botschaft beim Heiligen Stuhl liegt in Gehdistanz zum Vatikan.
«Papst Franziskus war sehr herzlich. Er war immer zu Scherzen aufgelegt», sagt Leimgruber. Nach ihrer ersten Audienz witzelte der Papst: «Jetzt müssen Sie anfangen zu arbeiten!»
Die Schweiz hatte bei Franziskus einen besonderen Stellenwert: «Franziskus hat die Schweiz sehr geschätzt.» Von morgens bis abends ist der Papst von Schweizergardisten umgeben. Franziskus scherzte mit ihnen, unterhielt sich mit ihnen über Fussball. «Das Image der Schweiz wird im Vatikan massgeblich von den Gardisten geprägt. Sie gelten als verlässlich, fleissig und vertrauenswürdig.»
«Wir neutralen Staaten haben eine spezielle Funktion»
Der Vatikan ist Sitz der katholischen Kirche – und zugleich ein neutraler Kleinstaat. Kurz vor der Bürgenstock-Konferenz sagte Papst Franziskus zur Schweizer Botschafterin: «Wir neutralen Staaten haben eine spezielle Funktion.» Alles, was dem Frieden diene, müsse versucht werden. Der Vatikan leistet wie die Schweiz Gute Dienste und engagiert sich weltweit in der Friedensarbeit – von Kolumbien über Mosambik bis Myanmar.
Leimgruber erinnert sich an ihre frühere Tätigkeit für die Schweiz in Kolumbien. Aus Sicherheitsgründen war es schwierig, in Bürgerkriegsgebiete zu reisen. Also arbeitete die Schweiz mit der katholischen Kirche zusammen, die über die Pfarreien vor Ort selbst in entlegenen Winkeln präsent ist. «Das dichte Netzwerk der katholischen Kirche liefert wichtige Informationen, die für die Schweizer Aussenpolitik nützlich sind.»
Künstliche Intelligenz und das Völkerrecht
Braucht es das überhaupt, eine eigene Vertretung beim Papst? Leimgruber ist überzeugt: Ja. «In der Schweiz wird die religiöse Bindung weniger wichtig. Global sieht es anders aus, viele Konflikte haben sogar eine religiöse Dimension. Zugleich kann Religion zum Frieden beitragen», sagt Leimgruber.
Die katholische Kirche steht für 2000 Jahre Geschichte – sie will aber auch die Zukunft gestalten. Hinter den Vatikan-Mauern geht es auch um künstliche Intelligenz (KI). Im November organisierte Leimgruber eine Tagung zusammen mit der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften. «Autonome Waffen und KI werden die Kriege verändern. KI kann hier eine Gefahr sein, bietet gleichzeitig aber auch neue Möglichkeiten. Wie können zum Beispiel Waffen so programmiert werden, dass keine Spitäler und keine Zivilisten angegriffen werden?», sagt Manuela Leimgruber. «Die Erkenntnisse solcher Tagungen sind wichtig, um die Zukunft des Völkerrechts zu gestalten.» Der Papst war von der Initiative begeistert und schrieb für die Schweizer Botschafterin zwei Namen von Experten auf einen Zettel, mit denen sie unbedingt sprechen solle. Den Zettel hat sie aufbewahrt, die Namen bleiben geheim.
Bei Genderfragen zückt Rom die Rote Karte
Beim humanitären Völkerrecht und bei der Abschaffung der Todesstrafe haben die Schweiz und der Heilige Stuhl dieselben Anliegen. Bei anderen Themen hingegen tickt die Vatikan-Diplomatie anders: Sobald es um Genderfragen geht, zückt Rom die Rote Karte und arbeitet lieber mit autoritären Ländern wie Russland, der Türkei oder Indonesien zusammen. Frauen können weder Bischöfin noch Priesterin werden. Und bislang weigert sich der Vatikan, für Historikerinnen der Uni Zürich das Archiv von Missbrauchsfällen zu öffnen.
Botschafterin Manuela Leimgruber betont: Sie vertritt beim Heiligen Stuhl die offizielle Schweiz und nicht katholische Reformanliegen. Im Gespräch mit dem Papst und Vatikan-Vertretern betont sie aber auch, «dass in der Schweiz Mann und Frau gleichberechtigt sind». Die Diplomatin ist überzeugt, mit kleinen, diskreten Schritten mehr zu erreichen als mit lautem Poltern. «Papst Franziskus ging es um einen Kulturwandel. Und da hat er viel erreicht. Er hat Frauen in Führungsämter gehievt, die früher nur Männern vorbehalten waren. Kulturwandel braucht Zeit.»
Keller-Sutter kommt zur Abdankung
In den nächsten Wochen ist viel zu tun: Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter (61) wird zur Papst-Beerdigung am Samstag anreisen, danach folgt das Konklave. Im Juni freut sich die Botschafterin auf eine kurze Auszeit in Barcelona, wo Sohn Valerio (20) arbeitet – er absolviert das Hotelstudium an der École hôtelière de Lausanne. Dann gibts auch ein Wiedersehen mit Ehemann Patrick Egloff. Das Paar führt eine Diplomaten-Fernbeziehung – Egloff ist Schweizer Botschafter für Nigeria, Tschad und Niger.
Im Herbst steht für Leimgruber das nächste Highlight bevor: die Vereidigung der neuen Gardisten. Die findet eigentlich am 6. Mai statt – doch wegen Franziskus’ Tod wurde sie verschoben. Bundespräsidentin Keller-Sutter dürfte dann nicht nur die neuen Rekruten, sondern auch den neuen Papst kennenlernen.