«Die drastischen Massnahmen», die im Kampf gegen das Coronavirus ergriffen wurden, hätten die potenziellen Bedrohungen für die Grundrechte ans Licht gebracht, insbesondere die der Minderheiten und der Schwächsten, sagte Staatssekretärin Livia Leu (62) vor den anderen Mitgliedsländern. Trotzdem sei die Menschenrechtssituation in der Schweiz «relativ gut».
Verbesserungen seien vor allem in Bezug auf die Rassendiskriminierung möglich, sagte Leu. Dazu werden der Schweiz immer wieder Vorwürfe gemacht. Sie erläuterte auch die Vorbereitungen für die Nationale Menschenrechtsinstitution, die im Mai ihre Arbeit aufnehmen soll.
Schweizer Delegation angehört
Rund alle vier Jahre wird die Schweizer Delegation vor dem Uno-Rat angehört. Dabei wird sie –wie am Freitag – während mehrerer Stunden mit Vorwürfen und Forderungen konfrontiert.
Die häufigsten Vorwürfe der anderen Mitgliedsländer betrafen dabei das Thema Rassismus. Mehrere Länder forderten einen nationalen Aktionsplan gegen rassistische Diskriminierung, sowie einen Mechanismus zur Sammlung von Beschwerden gegen rassistisches Profiling durch die Polizei.
«Die Schweiz betrachtet es als eine ständige Pflicht», sich gegen Rassismus einzusetzen, insbesondere online, versicherte Leu. Sie betonte, dass der Bundesrat und das Parlament der Ansicht seien, dass die Strafnorm gegen Rassismus einen «wirksamen Schutz» biete. Dennoch räumte sie ein, dass beim Zugang zur Justiz für Betroffene Verbesserungen bestehen würden.
«Müssen mehr tun»
Ein weiterer Vorwurf an die Schweiz kam aus Russland. Ein russischer Vertreter äusserte sich «besorgt» über die Diskriminierung seiner Landsleute in der Schweiz seit Beginn des Krieges in der Ukraine. Zudem wurde der Schweiz nahegelegt, etwas gegen die Lohnungleichheit zwischen Männern und Frauen zu unternehmen.
«Wir können und müssen mehr tun», sagte Leu dazu. Sie meinte aber auch, dass «die Schweiz mit der neuen, 2021 eingeführten Politik und dem dazugehörigen Aktionsplan entschlossen den Weg zur Gleichstellung beschreitet».
Mehrere Länder wünschten sich ausserdem, dass die Schweiz die Internationale Wanderarbeiter-Konvention ratifiziert. Laut dem Staatssekretariat für Migration (SEM) plant die Schweiz jedoch nicht, auf diese Forderung einzutreten. Weiter wurden Bedenken über die Situation von Asylsuchenden, Häftlingen und Menschen mit Behinderungen in der Schweiz geäussert.
Resolutionen haben moralisches Gewicht
Neben all diesen Vorwürfen erhielt die Schweiz auch Zuspruch. Viele Länder begrüssten die Nationale Menschenrechtsinstitution, die im Mai ihre Arbeit aufnehmen soll. Kritisiert wurde hingegen eine fehlende Finanzierung dieser Institution. In den vergangenen Monaten hatte die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter die Auffassung vertreten, dass die Institution ihrem Mandat zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte aufgrund fehlender Mittel nicht nachkommen könne.
Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen ist das wichtigste Gremium der Uno zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte. Der Rat kommt mindestens dreimal im Jahr an seinem Sitz in Genf zusammen. Dabei sind die Resolutionen des Rats nicht bindend. Sie haben aber moralisches Gewicht. (SDA/oco)