FDP-Markwalder spielt der SP in die Hände
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Umstrittener Kinderabzug
FDP-Markwalder spielt der SP in die Hände

Die Steuerabzug-Vorlage kostet den Bund 360 Millionen Franken pro Jahr. FDP-Nationalrätin Christa Markwalder will nun zurück zur FDP-Ursprungsvariante, die nur 10 Millionen kostet. Ihr Manöver spielt den Gegnern der Vorlage in die Hände.
Publiziert: 23.06.2020 um 17:12 Uhr
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Aktualisiert: 17.09.2020 um 10:40 Uhr
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Am 27. September kommt die Kinderabzug-Vorlage vors Volk. Die SP hat dagegen das referendum ergriffen.
Foto: keystone-sda.ch
Ruedi Studer

Die SP kann sich freuen, denn im Abstimmungskampf gegen den «Kinderabzug-Bschiss» bekommt sie unerwartete Schützenhilfe. Prominente FDP- und BDP-Vertreter wappnen sich nämlich bereits für ein Nein am 27. September. Und sorgen damit für Verunsicherung in den eigenen Reihen – weil beide Parteien nämlich für den Steuerabzug sind.

Die Kinderabzug-Vorlage hat eine spezielle Vorgeschichte. Ursprünglich ging es bloss darum, den Steuerabzug für die familienexterne Kinderbetreuung auf 25'000 Franken zu erhöhen – was den Bund jährlich 10 Millionen Franken gekostet hätte.

Doch CVP-Nationalrat Philipp Kutter (44, ZH) kam mit einem Antrag durch, auch gleich noch den allgemeinen Kinderabzug von 6500 auf 10'000 Franken zu erhöhen. Kostenpunkt: 350 Millionen Franken. Linke, Grüne und GLP bekämpfen die Vorlage mit dem Referendum. SVP, CVP, FDP und BDP hingegen stellten sich hinter den Deal.

Erstaunliches Störmanöver

In der Sommersession folgte ein erstaunliches Störmanöver. FDP-Nationalrätin Christa Markwalder (44, BE) forderte mit einer parlamentarische Initiative die Rückkehr zur Ursprungsvariante. Nur der Fremdbetreuungs-Abzug soll erhöht werden, denn mit diesem werde die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessert.

Der höhere allgemeine Kinderabzug hingegen untergrabe den Erwerbsanreiz insbesondere für gut ausgebildete Mütter und sei «gerade in Zeiten der Corona-Krise und ihren zusätzlich grossen Belastungen für den Bundeshaushalt nicht zu verantworten».

Mitunterzeichner sorgen für Widerspruch

Insgesamt 29 Nationalrätinnen und Nationalräte haben den Vorstoss mitunterzeichnet. Darunter nicht nur Gegner der Abstimmungsvorlage, sondern auch acht FDP- und zwei BDP-Vertreter, welche dieser im Parlament zugestimmt haben und jetzt sogar im Ja-Komitee sitzen. Zwei neu gewählte FDP-Nationalräte haben ebenfalls unterschrieben, obwohl sie im Ja-Komitee mittun.

Sie kämpfen also für eine Abstimmungsvorlage, welche sie mit ihrer Unterschrift unter den Markwalder-Vorstoss gleichzeitig als «nicht zu verantworten» bezeichnen. Darunter FDP-Nationalräte wie Maja Riniker (42, AG), Matthias Jauslin (58, AG), Marcel Dobler (39, SG), Christian Wasserfallen (38, BE) oder Hans-Peter Portmann (57, ZH). Ebenso BDP-Chef Martin Landolt (51, GL).

Wie erklären sie den Widerspruch? Gegenüber BLICK reden sich die meisten mit «strategischen Überlegungen» heraus. Von einem Schwenker oder gar einer Kehrtwende wollen sie nichts wissen. Stattdessen will man einen Plan B in der Hand haben, falls die Abstimmung verloren geht. Dann kann man das FDP-Kernidee rasch wieder aufgleisen und retten.

FDP-Riniker: «Den Weg ebnen, falls es ein Nein gibt»

«Ich finde es schlau, wenn wir bereits den Weg ebnen, falls es ein Nein gibt. Ich stehe aber voll und ganz hinter der Vorlage», sagt FDP-Frau Riniker. «Relevant ist der eingereichte Text des Vorstosses und nicht dessen Begründung.» Sie sei sich aber bewusst, dass dies als Widerspruch aufgefasst werden könne.

Auch Portmann steht weiterhin hinter der Vorlage. Er schliesst nicht aus, dass sie vor dem Volk Schiffbruch erleide. «Damit wir nach einem Volks-Nein nicht von vorne beginnen müssen, macht diese parlamentarische Initiative Sinn.» Jauslin steht ebenfalls zum Vorstoss, obwohl er nicht einverstanden sei mit der Begründung Markwalders, in welcher sie «eine Verknüpfung zu Covid-19 herzustellen versucht und nun moniert, dass die finanziellen Ressourcen nicht mehr vorhanden seien».

Auch BDP-Chef Martin Landolt betont, dass er mit seiner Unterschrift das «Präventivkonzept» Markwalders unterstütze. Er räumt ein, dass er die Begründung dazu nicht gelesen habe. Es handle sich aber eh um einen Vorstoss, der «erst nach der Volksabstimmung angepackt wird, sofern sich dies dann nicht von selbst erledigt hat».

Blauäugiges Vorgehen

Abstimmungstaktisch ist das Vorgehen der Ja-Sager allerdings blauäugig. Die Absicht hinter dem Markwalder-Vorstoss ist nämlich klar: Sie will jenen Bürgerlichen einen Ausweg eröffnen, die zwar für den Fremdbetreuungsabzug, aber gegen den Kinderabzug sind.

«Ich will den Stimmbürgern eine Alternative bieten, denen Gleichstellung wichtig ist und damit auch den Weg zur Individualbesteuerung ebnen», sagt Markwalder zu BLICK. «Mit der jetzigen teuren Vorlage wird nämlich die SVP-Familien-Initiative, welche das Stimmvolk 2013 deutlich abgelehnt hat, durch die Hintertür eingeführt.» Sie überlegt sich deshalb sogar, dem liberalen Nein-Komitee beizutreten.

Hat die FDP-Frau also ihre Kollegen aus dem Ja-Lager über den Tisch gezogen? «Nein, keineswegs», beteuert sie. «Die beiden Projekte widersprechen sich ja nicht. Ziel ist, dass wir bei einem Nein nicht vor dem Nichts stehen, sondern die ursprüngliche Vorlage bereits auf dem Tisch des Parlaments haben.»

SP-Nordmann: «Bürgerliche haben gepfuscht»

Mit ihrem Vorstoss spielt Markwalder der Nein-Seite jedenfalls in die Hände. «Die Bürgerlichen merken, dass sie gepfuscht haben, und bauen nun ein Auffangnetz», nimmt SP-Fraktionschef Roger Nordmann (47) den Ball dankend auf.

Markwalder eröffne einen pragmatischen Ausweg. «Sie will zurück zu einer echten Gleichstellungsvorlage», so Nordmann. Und er gibt auch gleich ein Versprechen ab: «Lehnt das Stimmvolk die überladene Vorlage ab, werden wir den Korrektur-Vorschlag der FDP unterstützen.»

Alle Abstimmungen auf einen Blick

Die Schweiz stimmt wieder ab: Erklärungen zu allen Initiativen, aktuelle News und prominente Stimmen zum Thema finden Sie hier.

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