Umstrittene 19-Grad-Regel des Bundesrates
Wer zuhause friert, soll laut Bundesgericht weniger Miete zahlen

Wer daheim friert, hat Recht auf tiefere Miete: Laut Bundesgericht sollte eine Wohnung mindestens 20 Grad warm sein. Sonst darf Entschädigung gefordert werden. Dabei äussern sowohl Mieter als auch Vermieter Zweifel an vom Bund geplanten Verboten und Einschränkungen.
Publiziert: 02.10.2022 um 04:45 Uhr
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Aktualisiert: 02.10.2022 um 09:44 Uhr
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Diesen Winter hat man sich zuhause wohl wärmer anzuziehen.
Foto: imago images

Clinch um die 19-Grad-Verordnung des Bundes: Bei einer drohenden Gasmangellage will der Bundesrat mit Verboten und Einschränkungen durchgreifen. Das sorgte für Diskussionsstoff. Besonders, ob auch Privathaushalte in die Pflicht genommen werden sollen.

Für einmal scheinen sich dabei Mieter und Vermieter einig. Die Vorschrift, wonach Wohnungen im Krisenfall nur noch auf maximal 19 Grad geheizt werden dürfen, scheint untauglich. Der Schweizerische Verband der Immobilienwirtschaft (Svit) befürchtet laut einem Bericht der «SonntagsZeitung», dass zahlreiche Mieter vor Gericht klagen werden, ihre Wohnung sei ungenügend geheizt. Dies, weil die Liegenschaftsverwaltung die Temperatur auf Geheiss des Bundesrates drosseln musste.

Tatsächlich sind Vermieter verpflichtet, die Wohnungen ausreichend zu heizen. Gemäss Bundesgericht sollte eine Wohnung 20 bis 21 Grad warm sein. Weicht die Temperatur zu stark davon ab, haben Mieter ein Recht auf Entschädigung. Unter Spezialisten ist umstritten, ob die Vermieter auch dann Entschädigungen zahlen müssen, wenn sie die Heizung auf Weisung des Bundesrates heruntergedreht haben. Selbst die Juristen von Wirtschaftsminister Guy Parmelin (62), welche den Heizbefehl ausgearbeitet haben, sind sich offenbar nicht sicher.

Keine Klarheit

In den Erläuterungen schreiben die Juristen zwar, dass «in der schweizerischen Mietrechtspraxis eine Mindertemperatur von ca. 3 Grad durchaus noch als zulässig betrachtet werden kann». Doch laut Parmelins Juristen müssen «die für das Mietwesen zuständigen Gerichte für Klarheit sorgen».

Der Verband der Vermieter findet es stossend, dass der Bundesrat in der Verordnung nicht für Klarheit gesorgt hat. Mieter wiederum kritisieren die 19-Grad-Grenze vor allem, weil sie zumindest für ältere und kranke Menschen nicht zumutbar sei.

Heizpolizei?

Dass eine amtliche Begrenzung der Raumtemperatur auf 19 Grad, wie sie im Fall einer Gas-Mangellage vorgesehen ist, untauglich sei, das haben die Verbände der Mieter und der Vermieter dem Bundesrat jetzt schriftlich mitgeteilt.

«Eine praktikable Umsetzung» eines amtlichen Heizbefehls sei «kaum möglich», wird Svit-Chef Marcel Hug zitiert. Im Übrigen sei ungeklärt, so Hug, ob die Vermieter oder die Mieter in der Verantwortung stünden, wenn die Heizpolizei vorbeischaue. Und wie werde die Temperatur genau gemessen? In Bodennähe sei es deutlich kälter als direkt unter der Decke und im Badezimmer anders als im Schlafzimmer oder der Stube, sagt Hug.

Für beide Verbände ist klar, dass die Heizvorschrift aus praktischen Gründen nicht durchsetzbar ist. Fast gleich klingt es im Brief des Mieterverbands an den Bundesrat. Auch Linda Rosenkranz, Generalsekretärin des Mieterverbands, spricht von «absurden» Plänen. So müssten zu Hause wohnhafte ältere Menschen tiefere Temperaturen ertragen müssen als diejenigen, die in einem Alters- oder Pflegeheim wohnen. Rosenkranz: «Die aktuellen Diskussionen rund um diese Vorschriften beweisen, dass die Massnahme schlicht nicht umsetzbar ist.» (kes)

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