Gesundheitsminister Alain Berset (49) im Fokus, hinter ihm ein bräunlicher Hintergrund: Ein Video wie viele andere auch. Doch als der Bundesrat das Wort ergreift, fällt allen, die Berset schon sprechen gehört haben auf: Das ist nicht seine Stimme.
Noch überraschender, was der Bundesrat sagt. Er redet gegen das Covid-Gesetz. Er kritisiert einen irreführenden Wahlzettel und fordert die Menschen auf, gegen das Gesetz zu stimmen, da es eine totalitäre und nutzlose Entwicklung darstelle.
Mit künstlicher Intelligenz gefälscht
Für ein geschultes Auge ist es ganz klar, dass dieses Video (Blick verzichtet darauf, es zu zeigen) gefälscht ist. Es handelt sich um einen sogenannten Deepfake, also ein Video, das mit künstlicher Intelligenz gefälscht wurde. Die Montage wäre zum Lachen, würde sie nicht in den Diskussionen von Verschwörungstheoretikern auf Telegram kursieren.
Geteilt wurde das Video von Oskar Freysinger (61), Mitglied der SVP, ehemaliger Nationalrat und ehemaliger Walliser Staatsrat. Er verschickte es per Privatnachricht an seine Kontakte – und die sind sehr zahlreich.
«Endlich sagt Berset mal die Wahrheit!»
Ist die Kampagne der Gegner auf der Zielgeraden ins Abseits geraten? Nicht für Oskar Freysinger. Er, der aus dem politischen Ruhestand kam, um gegen das Covid-Gesetz zu kämpfen, lacht: «Das ist superkomisch», sagt er auf Nachfrage. «Endlich sagt Alain Berset mal die Wahrheit!»
Der Walliser behauptet, er sei nicht der Autor des Videos und habe es als Kopie per E-Mail erhalten. Er kenne den Ursprung des Videos nicht. Auf die Frage nach dem Verwirrungspotenzial sagte er: «Wer das ernst nimmt, ist nicht von diesem Planeten. In meinem Bekanntenkreis haben alle gelacht.»
Grauzone des Persönlichkeitsrechts
Ist es rechtlich problematisch, ein solches Video zu verbreiten? Nein, findet Anwalt Nicolas Capt. Seiner Meinung nach kann das Video nur schwerlich als echte Rede des Gesundheitsministers angesehen werden: «Es ist nicht sehr gut gemacht und die Aussagen sind grob. Es fällt mir schwer zu glauben, dass man dem Video ernsthaft Glauben schenken kann.»
Alain Berset spreche, als ob er eine Fernsehansprache halten würde. Würde es sich um eine überzeugende Simulation handeln, in der Berset privat etwas anderes sage als in der Öffentlichkeit, wäre die Sache viel komplizierter, erklärt Capt. «In dem fraglichen Video befinden wir uns in einer Grauzone des Persönlichkeitsrechts. Ein Politiker muss ein höheres Mass an Angriffen erleiden als eine Durchschnittsperson, insbesondere bei einem Thema von öffentlichem Interesse.»
Maskenloser Berset befeuert Skeptiker
Dies war beispielsweise in den letzten Tagen der Fall: Es kursierte ein (echtes) Foto, auf dem Alain Berset ohne Maske im Zug zu sehen ist. Laut Medienstelle des Bundesrats hatte dieser aber die Maske nur kurz abgelegt, um nach einem Auftritt in der «Arena» des Schweizer Fernsehens etwas zu essen.
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Doch zurück zum Video. Anders als Freysinger findet Bersets Stab die Sache weniger lustig. So sagt Sprecher Christian Favre, dass man diese Art von Verfremdungen nicht mehr auf die leichte Schulter nehme. Er kritisiert eine Entgleisung der Kampagne. Das gefährde die Schweizer Debattenkultur: «Unsere Demokratie besteht aus Debatten, die manchmal hart, aber immer fair und auf Fakten basierend geführt werden. Wir verurteilen diese Art von Entgleisung.»
Letztendlich wird man wohl nie erfahren, wer das Video gefälscht hat, da die Sache nicht untersucht wird. Klar ist, dass es sich um eine Person handelt, die gegen das Covid-Gesetz ist – und die vielleicht hofft, die Debatte zu verzerren. Wenn man bedenkt, dass die Gegner des Gesetzes sich als Verfechter der Demokratie und Freunde der Verfassung aufspielen, ist das Mittel, mit dem sie die Vorlage vom 28. November bekämpfen, noch verwirrender als das Video.