Die Frage, was falsch laufe, dass solche Taten immer wieder möglich seien, beschäftige sie stark, sagte Keller-Sutter in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger». 24 Frauen sind im letzten Jahr bei häuslicher Gewalt ums Leben gekommen, gleichzeitig gab es 52 Fälle von versuchten Tötungen. Sie habe zwar keine abschliessende Antwort, sei aber auch nicht bereit, die Tatsache einfach so hinzunehmen.
Deshalb würde sie es zum Beispiel begrüssen, wenn bei einem Kontaktverbot nicht nur der Täter, sondern auch das Opfer «überwachungstechnisch ausgerüstet» würde, und zwar mit einer Art Tracker. Dieser würde automatisch Alarm auslösen, wenn sich der Gefährder nähert, sagte Keller-Sutter. Damit könnte sich das Opfer entfernen und die Polizei verständigen.
Für die Bundesrätin wäre das «eine Alternative zur Echtzeitüberwachung». Diese werde von den Kantonen abgelehnt, weil sie zu aufwändig sei.
Polizei für Sicherheit zuständig
Frauenorganisationen stehen dem Einsatz der Tracker eher skeptisch gegenüber. So sagte Marlies Haller von der Dachorganisation der Frauenhäuser (DAO) in der SRF-Sendung «Rendez-Vous am Mittag»: «Wenn es dann blinkt oder piepst, muss die Frau sich selber in Sicherheit bringen». Doch eigentlich wären ja der Staat und die Polizei für die Sicherheit der Frauen verantwortlich.
Auch Doris Binder vom Frauennottelefon in Winterthur hat Vorbehalte: Für Frauen sei das eine eher belastende Situation, sagte sie in der gleichen Sendung.
Ab Juli 2020 mehr Schutz
Am 1. Juli 2020 tritt das Bundesgesetz über die Verbesserung des Schutzes gewaltbetroffener Personen in Kraft, das den Schutz von Opfern von häuslicher Gewalt und Stalking stärken soll. Dazu gehört zwar auch die Einführung elektronischer Armbänder oder Fussfesseln zur Überwachung von Rayon- und Kontaktverboten. Diese Bestimmungen treten jedoch erst auf Anfang 2022 in Kraft, um den Kantonen genügend Zeit für die Vorbereitungen zu geben.
Darüber hinaus hält der Bundesrat eine Verschärfung des Sexualstrafrechts nicht für angezeigt, zum Beispiel, wenn es darum geht, sexuelle Handlungen ohne ausdrückliche Einwilligung als Vergewaltigung zu bestrafen. Das schrieb er im August in einer Antwort auf eine Interpellation von Isabelle Moret.
Die Waadtländer FDP-Nationalrätin hatte an einen Aufruf von 22 Strafrechtsprofessorinnen und -professoren erinnert, die sich einer entsprechenden Petition von Amnesty International angeschlossen hatten.
Bundesrat prüft Instrumente
Hingegen hatte der Bundesrat Ende November die Annahme eines Postulats von Nationalrätin Sibel Arslan (Grüne/BL) beantragt. Darin wird die Regierung beauftragt, Instrumente zu einem wirksameren Opferschutz bei so genannt Hochrisikofällen von häuslicher Gewalt zu prüfen.
Er soll dabei unter anderem Echtzeitüberwachung auf ihre Vor- und Nachteile für einen effektiveren Schutz analysieren. Und er soll die Einführung sogenannter Notfallknöpfe beurteilen. Damit könnten sich Opfer direkt polizeilichen Schutz holen.
Laut einer im Mai publizierten Umfrage von GFS Bern bei rund 4500 Frauen in der Schweiz hat mindestens jede fünfte Frau ab 16 Jahren schon ungewollte sexuelle Handlungen erlebt, mehr als jede zehnte Frau hatte Sex gegen ihren Willen. (SDA)