Der Krieg in der Ukraine dauert an, der Strom schrecklicher Nachrichten reisst nicht ab. Wie geht es jenen, die Zuflucht in der Schweiz gesucht haben? Vesta Brandt (36) und Olga Plastun (28) sind rund einem Monat in Biel BE. Sie erzählen, worüber sie sich freuen – und womit sie hadern.
Vesta Brandt: «Die Leute in Biel sind sehr freundlich. Und auch die Kontrolleure im Zug. Wenn sie unseren Pass sehen, dank dem wir gratis reisen können, sagen sie: ‹Es tut mir sehr leid, was passiert. Ich wünsche Ihnen das Beste.› Ich bin dankbar, hier zu sein. Trotzdem ist es nicht einfach. Wir haben unseren S-Ausweis noch nicht und warten jeden Tag, dass der Pöstler ihn bringt. Dabei muss ich unbedingt eine Arbeit finden; ich muss meine Tochter aufziehen. So aber bin ich gezwungen, zu Hause zu bleiben und zu warten. Dabei würde ich gerne anderen Flüchtlingen helfen. Zu schaffen macht mir auch, dass wir komplett von anderen abhängen: Wir sind unserem Unterstützer Andreas Gosch und seinen Kollegen sehr dankbar, dass sie eine Wohnung organisiert haben und uns finanziell unterstützen. Aber sie sind nicht unsere Familie; wir können das von ihnen nicht verlangen. Wir wissen auch nicht, wie lange wir bleiben können. Diese Unsicherheit ist belastend.»
Olga Plastun: «Für meine Mutter und meine Grossmutter, die mit uns geflüchtet sind, ist die Situation nicht einfach. Sie gehen zu zweit spazieren und entdecken die Nachbarschaft. Aber eigentlich möchten sie sich kein Leben hier aufbauen, sondern so schnell wie möglich wieder nach Hause. Meine Grossmutter hat ihre Katze in der Ukraine lassen müssen. Auch meine beiden Katzen sind noch dort; Freiwillige kümmern sich um sie. Aber ich vermisse sie sehr – sie gehören auch zur Familie.»
Vesta Brandt: «Meine Mutter ist in der Ukraine geblieben. Ich bin froh darum, dass wir gratis in die Ukraine telefonieren können. Jedes Mal, wenn es einen Sirenenalarm gibt, ruft sie mich an, und wir reden, bis der Alarm vorbei ist. Schlafen kann ich trotzdem nicht. Ich verbringe die ganze Zeit auf Telegram und schaue, was zu Hause passiert. Ich glaube, ich bräuchte Medikamente. Aber diese Woche gab es auch ein schönes Erlebnis: Wir haben uns in Biel mit anderen Ukrainerinnen getroffen. Dieser Austausch hat mir gutgetan.»