Bundesrat Ignazio Cassis (62) will sein Versprechen brechen. Für den Wiederaufbau der kriegsgebeutelten Ukraine soll die Schweiz sechs Milliarden Franken bereitstellen, wie die Tamedia-Zeitungen berichten.
Unklar ist jedoch, woher die Regierung die finanziellen Mittel nimmt. Denn der Bund rechnet für die kommenden Jahre mit einem Milliardendefizit.
Noch im Frühjahr betonte Aussenminister Cassis, der Wiederaufbau der Ukraine dürfe nicht auf Kosten anderer Programme der Internationalen Zusammenarbeit gehen. Nun aber will er die Hilfsgelder für andere Länder doch zusammenstreichen, so die Zeitungen. Konkret soll der Rotstift bei Programmen für Bildung oder Hunger angesetzt werden.
Am Freitag plane der Bundesrat eine Aussprache dazu. Jährlich sollen 600 Millionen in die Ukraine fliessen, im Zeitraum von 2025 bis 2034. Dieser Betrag entspreche etwa dem, was die Schweiz gemessen an ihrer Wirtschaftsleistung beisteuern muss, wenn sie sich im internationalen Vergleich solidarisch zeigen will.
Zwei Bundesräte wollen noch mehr abkappen
Nun liebäugelt Cassis offenbar mit der Idee, einen Fonds für die Ukraine per Bundesgesetz zu schaffen. Dieser soll mit zwei Milliarden aus dem allgemeinen Bundeshaushalt gefüllt werden. Die restlichen vier Milliarden würden aus dem Budget für die Entwicklungshilfe und der Nothilfe entnommen.
Sogar noch weiter gehen wollen offenbar Wirtschaftsminister Guy Parmelin (64) und Finanzministerin Karin Keller-Suter (59). Sie forderten, dass 90 Prozent auf Kosten der Entwicklungshilfe geht, berichten die Tamedia-Zeitungen. Dagegen sollen sich die Sozialdemokraten im Bundesrat wehren. Sozialministerin Elisabeth Baume-Schneider (59) soll stattdessen eine Steuer auf Finanzmarkttransaktionen vorschweben.
«Das ist eine absolute Katastrophe»
Würde Cassis' Vorschlag angenommen, gäbe es deutlich weniger Geld für die Länder im globalen Süden. 13 Prozent des Entwicklungshilfebudgets würden wegbrechen. Bei Parmelins und Keller-Sutters Vorschlag wären es 500 Millionen, die aus Afrika oder Asien in die Ukraine umgeleitet würden.
«Das ist eine absolute Katastrophe», sagt Andreas Missbach in den Tamedia-Zeitungen. Er ist Geschäftsleiter von Alliance Sud, dem Kompetenzzentrum für internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik. Der Entscheid des Bundesrats würde dazu führen, dass wichtige Programme zum Beispiel in Subsahara-Afrika nicht verlängert werden könnten. «Die Menschen würden ihrer Entwicklungschancen beraubt.» (rba)