Der Sturm der Entrüstung wird ihn nicht überrascht haben: Ueli Stückelberger ist ein alter ÖV-Fuchs. Als der «Beobachter» heikle Pläne zu einer massiven Preiserhöhung für das Generalabonnement (GA) publik machte, war dem Direktor des Verbands öffentlicher Verkehr klar, was passieren würde. Als er BLICK in seinem Büro empfängt, weiss er, dass er nun die Wogen glätten muss.
BLICK: Herr Stückelberger, das GA soll zehn Prozent teurer werden. Wie viel hat Ihnen die Autoindustrie für diese Idee bezahlt?
Ueli Stückelberger: (Lacht) Niemand hat uns bezahlt. Es war ja nie beabsichtigt, diese Zahl öffentlich zu machen. Und: Niemand will den Preis des GA einfach um zehn Prozent erhöhen. Der Vorschlag wurde im Sinne eines Brainstormings eingebracht. Will man gute Neuerungen finden, müssen auch Ideen kommen, die am Schluss dann verworfen werden. Es gibt ja nicht nur Vorschläge für Erhöhungen, sondern auch für günstigere Tickets.
Sie sind nicht für ein 386 Franken teureres GA?
Nein, und viele andere wollen auch keine Schockerhöhung beim GA. Wir sind ja nicht dumm. Niemand aus der Branche will die Kunden verärgern. Es ist gut, breit zu denken, aber der Vorschlag wird sich so nicht durchsetzen. Eine allfällige Erhöhung wird sicher niedriger ausfallen.
Klar, man verbreitet zehn Prozent, um dann mit einem Aufschlag von sieben Prozent durchzukommen.
Das ist eine Unterstellung. Wenn der Preis an einem Ort steigt, soll er am anderen sinken – nämlich bei den Einzelfahrten, die zu teuer sind. Und: Das ÖV-Angebot ist in den letzten Jahren massiv ausgebaut worden. Die Züge fahren häufiger und schneller. Das Preis-Leistungs-Verhältnis beim GA ist äusserst gut.
Und jetzt schöpft man bei den treusten Kunden, den GA-Besitzern, ab.
Wenn wir irgendwo günstiger werden, wird das Preisniveau auch irgendwo steigen müssen. Bei diesen Überlegungen schaut man zu Recht dort hin, wo das Preis-Leistungs-Verhältnis so viel besser ist als bei allen anderen Angeboten.
Nach der grossen Aufregung um eine mögliche Preiserhöhung beim GA legt der SonntagsBlick nach. Wie die Zeitung berichtet, überlegen sich die Verantwortlichen der ÖV-Organisation CH-Direct, ein neues Produkt zu lancieren: ein Mehrfahrten-GA, eine Mischung aus Ausflugs-Abo und GA. Das Ausflugs-Abo ist ein Halbtax, das zusätzlich pro Jahr 20 oder 30 Tageskarten bietet. Es kostet 900 oder 1200 Franken. Sind die Tageskarten aufgebraucht, ist das Abo «nur» noch ein Halbtax. Ähnlich – aber umfassender und teurer – könnte auch das neue Produkt aussehen. Es handelt sich um eine bereits ältere Idee der Branche.
Nach der grossen Aufregung um eine mögliche Preiserhöhung beim GA legt der SonntagsBlick nach. Wie die Zeitung berichtet, überlegen sich die Verantwortlichen der ÖV-Organisation CH-Direct, ein neues Produkt zu lancieren: ein Mehrfahrten-GA, eine Mischung aus Ausflugs-Abo und GA. Das Ausflugs-Abo ist ein Halbtax, das zusätzlich pro Jahr 20 oder 30 Tageskarten bietet. Es kostet 900 oder 1200 Franken. Sind die Tageskarten aufgebraucht, ist das Abo «nur» noch ein Halbtax. Ähnlich – aber umfassender und teurer – könnte auch das neue Produkt aussehen. Es handelt sich um eine bereits ältere Idee der Branche.
Und woher wissen Sie das? Das GA ist eine Blackbox.
Ach was! Ausgewählte Kunden erhalten einen detaillierten Fragebogen, in dem sie alle Reisen aufführen. Das wird gemittelt und daraus gibt es den Verteilschlüssel für die am Personenverkehr beteiligten Unternehmen.
Dieser Verteilschlüssel ist ein grosses Geheimnis.
Die Verteilung der GA-Einnahmen läuft höchst professionell. Die Tarife sind Sache von CH-Direct, der Tariforganisation des öffentlichen Verkehrs. Die Vorschläge, die wir jetzt diskutieren, kommen auch von dort – um ganz genau zu sein, von Mitarbeitern der SBB, die im Auftrag von CH-Direct Vorschläge erarbeitet haben. Das ist nicht zu beanstanden.
Die SBB haben ja auch das Sagen bei CH-Direct, also bei den Preisen.
Nein, es gibt einen Ausschuss von neun Mitgliedern aus Transportunternehmen, die je eine Stimme haben. Aber die SBB haben bis Ende 2019 noch das Vetorecht. Das wird sich jedoch ändern.
Ist es nicht so, dass Tarifverbünde ihre Verbund-Abos nur schwer an die Frau und den Mann bringen, da das GA nicht sehr viel teurer ist, aber viel, viel mehr bietet?
Es gibt sicher Verbünde, die solche Überlegungen anstellen, ja. Aber nicht nur sie wollen beim GA ansetzen, um andere Angebote und Produkte attraktiver, das heisst günstiger machen zu können.
Welche genau?
Das werden wir sehen. Klar ist: Die Klimadiskussion ist ein Auftrag an uns. Es muss uns gelingen, die Leute zum ÖV zu holen, namentlich die Jugend und im Freizeitverkehr. Dazu ist eine mögliche Massnahme, die Einzelfahrten zu vergünstigen. Und es gibt Pläne, im internationalen Fernverkehr bessere Angebote anzubieten. Hier besteht grosses Potenzial. Heute ist das Fliegen zu billig. Es ist beim Fliegen wie beim Pelztragen in den 80er-Jahren: Plötzlich ist es nicht mehr opportun. Billigflieger haben Nachtzüge nach Barcelona und Züge in andere Grossstädte kaputtgemacht. Bald werden wir ein Revival erleben. In einigen Jahren wird der ÖV zum Beispiel nach München massiv besser.
Sprechen Sie von Nachtzügen oder anderen Angeboten?
Von internationalen Zügen wie dem TGV. Hier wird etwas gehen. Da wird es ein neues Potenzial geben, da bin ich überzeugt. Es braucht aber immer auch ausländische Partnerbahnen. Ich bin froh, dass die ÖBB Nachtzüge anbieten. Sie sind aber ein Nischenprodukt, zwar ein gutes, das sich zu Schweizer Löhnen wohl kaum finanzieren liesse. In komfortablen Hochgeschwindigkeitszügen aus unserem Land zu guten Preisen an Destinationen in ganz Europa zu reisen, hat jedoch Zukunft. Der ÖV ist energieeffizient und platzsparend. Er ist Teil der Lösung im Kampf gegen den Klimawandel. Die SBB haben das erkannt. Jetzt braucht es auch die Politik, die die Zusammenarbeit mit den Nachbarländern sucht, um das vorhandene Potenzial auszuschöpfen.
Der Berner Ueli Stückelberger (50) ist seit 2011 Direktor des Verbands öffentlicher Verkehr (VöV), in dem die öffentlichen Transportunternehmen der Schweiz zusammengeschlossen sind. Der Vater von drei Kindern leitete davor die Abteilung Politik im Bundesamt für Verkehr (BAV). Er ist Mitglied der Grünen Freien Liste (GFL) Berns. Bis 2008 war Stückelberger langjähriger Präsident der GFL/EVP-Fraktion des Stadtrats von Bern.
Der Berner Ueli Stückelberger (50) ist seit 2011 Direktor des Verbands öffentlicher Verkehr (VöV), in dem die öffentlichen Transportunternehmen der Schweiz zusammengeschlossen sind. Der Vater von drei Kindern leitete davor die Abteilung Politik im Bundesamt für Verkehr (BAV). Er ist Mitglied der Grünen Freien Liste (GFL) Berns. Bis 2008 war Stückelberger langjähriger Präsident der GFL/EVP-Fraktion des Stadtrats von Bern.