Je süsser, desto teurer. Seit über zehn Jahren erhebt Frankreich eine Steuer auf Süssgetränke. Damit war das Land eines der ersten, das aus Sorge vor den gesundheitlichen Folgen des zu hohen Zuckerkonsums handelte. Inzwischen haben über 80 weitere Länder eine Art von Zuckersteuer eingeführt.
Die Schweiz gehört nicht dazu. Mehrfach schon lag die Forderung, Süssgetränke zu besteuern, auch hierzulande auf dem Tisch – doch das Parlament hat sie immer abgeschmettert. Stattdessen setzt man auf Eigenverantwortung. Gefordert wird die Steuer von den Konsumentinnen und Konsumenten einerseits, aber auch von der Industrie, die sich selbst regulieren soll.
Freiwillig reiche nicht
Doch das funktioniert nicht, findet Nadine Masshardt (39), SP-Nationalrätin und Präsidentin der Stiftung für Konsumentenschutz. Die Organisation war bisher zurückhaltend mit der Forderung nach einer Zuckersteuer. Man will nicht, dass die Lebensmittel noch teurer werden. «Wir sehen jedoch bei der freiwilligen Zuckerreduktion keine wirklichen Fortschritte», sagt Masshardt. Deshalb befürwortet auch die Stiftung inzwischen die Besteuerung von Süssgetränken, auch von solchen mit künstlichem Süssstoff.
Dies sei vor allem deshalb sinnvoll, weil es dazu führe, dass die Hersteller den Zuckergehalt der Getränke senken würden, so Masshardt. Tatsächlich unterscheidet sich der Zuckergehalt von Süssgetränken wie beispielsweise Fanta oder Sprite je nach Land teilweise enorm – was auch mit der Besteuerung zu tun hat. Die Einnahmen einer Zuckersteuer müssten laut Masshardt in die Prävention und die Gesundheitsförderung fliessen.
Auch Grünen-Nationalrätin Manuela Weichelt (56) plädiert für eine Zuckersteuer. Sie ist Präsidentin der Allianz Ernährung und Gesundheit, der Organisationen wie der Kinderärzte-Verband, die Krebsliga oder die Herzstiftung angehören. Die Allianz fordert unter anderem auch ein Verbot von Babynahrung mit zugesetztem Zucker und die Begrenzung des Zuckergehalts in Lebensmittel, die sich speziell an Kinder richten.
Weichelt kritisiert die Schweizer Zuckerpolitik scharf. «Es ist schizophren, die Zuckerproduktion zu subventionieren, während gleichzeitig rund jedes sechste Kind in der Schweiz übergewichtig ist», sagt sie. Was sie besonders stört: «Indem wir den Zucker mit unseren Steuergeldern zahlen, verbilligen wir Red Bull und Co. künstlich.»
Zuckerkonsum doppelt so hoch wie empfohlen
Im Durchschnitt nimmt eine Person in der Schweiz pro Tag gut 100 Gramm Zucker zu sich – pur oder zugesetzt. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt, nicht mehr als 50 Gramm zu konsumieren. Im Optimalfall sogar nur die Hälfte davon. Wir konsumieren also viermal mehr Zucker, als gut wäre – was Folgen hat.
Dass zu viel Süsses zu Karies, Fettleibigkeit und Diabetes führen kann, ist allgemein bekannt. Gemäss Studien kann überhöhter Zuckerkonsum aber beispielsweise auch das Risiko erhöhen, an Gicht, Herz-Kreislauf-Problemen, Demenz oder auch – als indirekte Folge von Fettleibigkeit – an Krebs zu erkranken. Die Auswirkungen auf die Gefässe sind laut Forschenden ähnlich gravierend wie regelmässiges Rauchen.
Zustimmung steigt
Trotz der Fakten: Im bürgerlichen Lager sieht man keinen Handlungsbedarf. In erster Linie sei jede und jeder selbst verantwortlich, zudem müsse man auf Bildung setzen, die in der Verantwortung der Kantone liege, findet FDP-Nationalrat Philippe Nantermod (39): «Der Bund sollte sich nicht noch mehr einmischen, was auf unsere Teller kommt.» Oder eben ins Glas.
Nicht nur in der Politik, auch in der Bevölkerung sind die Vorbehalte gegenüber einer stärkeren Regulierung des Zuckerkonsums gross. Eine jährliche Umfrage des Meinungsforschungsinstituts GFS Bern hat ergeben, dass gerade einmal gut ein Drittel der Bevölkerung eine Steuer auf Süssgetränke befürwortet.
Allerdings: Der Anteil der Befürworter ist im Vergleich zum vergangenen Jahr um satte zehn Prozent gewachsen. Zudem stimmen so viele Menschen wie noch nie in den vergangenen sieben Jahren der Aussage zu, dass Zucker gesundheitsschädigend ist und deshalb staatlich eingeschränkt werden muss. Mit 56 Prozent sind es erstmals über die Hälfte. In der Bevölkerung scheint sich also etwas zu bewegen. Bald auch in der Politik?