Timm Bütikofer (28) ist ein vorbildlicher Schweizer. Er studiert das Abstimmungsbüchlein, verpasst kaum eine «Arena» vor eidgenössischen Urnengängen und informiert sich sogar auf den Webseiten der Parteien über Vorlagen, die er als Stimmbürger zu beurteilen hat.
Klar, dass er auch jetzt keine Ausnahme machen will, obwohl er seit September in England wohnt. Der Berner macht im südenglischen Bournemouth seinen Master in Eventmarketing. Und er muss sogleich eine Erfahrung machen, die viele Auslandschweizer kennen: Er hat seine Abstimmungsunterlagen nicht erhalten. Dabei hat Bütikofer bei der Schweizerischen Post einen Nachsende-Auftrag aufgegeben.
Niemand wollte Verantwortung übernehmen
«Bei den Wahlen im Oktober hat alles geklappt», sagt Bütikofer zu BLICK. «Sogar für den zweiten Wahlgang für den Ständerat habe ich die Unterlagen bekommen – obwohl es zeitlich sehr knapp war.»
Doch nun, wo es um Wohn-Initiative und die Ausweitung der Antirassismus-Strafnorm geht: nichts im Briefkasten. Bütikofer stellte daraufhin Nachforschungen an – beim Stimmregister der Stadt Bern, bei der Schweizerischen Post und gar beim britischen Pendant Royal Mail. Helfen konnte ihm keiner. «Niemand wollte die Verantwortung übernehmen – das Stimmregister sagte mir, die Unterlagen seien Anfang Januar verschickt worden», erzählt er.
Und ein Doppel der Unterlagen würde ihm nur persönlich am Schalter ausgehändigt. Das ist zwar verständlich, weil so die Missbrauchsgefahr minimiert wird, aber für ihn ist es unmöglich, schnell über den Ärmelkanal zu reisen, nur um in der Bundesstadt die Stimmunterlagen abzuholen.
Auch die Schweizerische Post habe nach drei Tagen gemeldet, dass sie keine Unterlagen für Bütikofer gefunden habe, berichtet er weiter. Alles sei weitergeleitet worden, versicherte man dem Berner. «Und die britische Royal Mail sagte mir, unzustellbare Sendungen würden an den Absender zurückgeschickt.» Doch beim Berner Stimmregister sei nichts zurückgekommen.
«Ich habe noch nie eine Abstimmung verpasst»
«Es ist unerklärlich, die Unterlagen sind einfach verschwunden», sagt Bütikofer. Es sieht ganz danach aus, als seien die Dokumente auf dem Weg über den Ärmelkanal verschollen. Für Bütikofer bitter: «Ich habe noch nie eine Abstimmung verpasst.» Er finde es schade, dass er unverschuldet nicht teilnehmen könne.
Allein ist Bütikofer nicht – vor jeder Abstimmung kommt es zu Klagen von Auslandschweizern, die vergeblich auf ihre Unterlagen warten. Wieviele das sind, kann man gemäss Bundesrat aber nicht sagen. Immerhin konnte er letztes Jahr angeben, welches die Problemländer sind: Dabei handle es sich etwa um Südafrika, Thailand, die Philippinen sowie süd- und mittelamerikanische Länder.
Nationalrat will E-Mail-Versand
Immer wieder fordern Politiker, dass das Abstimmungsproblem der Auslandschweizer gelöst wird. Der jüngste Vorstoss stammt aus dem letzten Jahr vom damaligen Nationalrat Claudio Zanetti (52, SVP). Auslandschweizern sollten die Stimmunterlagen per E-Mail geschickt werden, forderte er. Die Auslandschweizer sollten die Unterlagen dann ausdrucken und per Post zurückschicken. Damit liessen sich die Postprobleme um die Hälfte reduzieren – weil ja nur noch die Rücksendung auf dem Postweg erfolgt.
Der Bundesrat will davon aber nichts wissen – der elektronische Versand sei zu wenig sicher, das Missbrauchspotenzial gross. Der Nationalrat sieht das aber anders als die Landesregierung. Er stimmte Zanettis Forderung deutlich zu. Sagt auch der Ständerat Ja, gibt es Hoffnung für die Auslandschweizer.
Für den Sonntag nützt das Timm Bütikofer nichts mehr. Aber vielleicht anderen vorbildlichen Staatsbürgern, die dereinst im Ausland studieren.