SVP-Nationalrat Andreas Glarner
Fahnenträger der Provokation

Provokation ist sein politisches Werkzeug: SVP-Hardliner Andreas Glarner (55) hat mit dem Cervelat-Gate mal wieder damit rumhantiert. Er betreibt damit effiziente Stammtisch-Politik mit Segen seines Parteichefs Albert Rösti.
Publiziert: 10.07.2018 um 04:16 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 16:16 Uhr
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Fahnenträger der Provoktion: SVP-Nationalrat Andreas Glarner.
Foto: manuel geisser
Cinzia Venafro

Andreas Glarner (55) grinst gern. Dieser Tage besonders breit: «Das Cervelat-Gate ist perfekt», sagt er am Telefon zu BLICK. Und für einmal ist sein «Teflon-Grinsen», wie es in Bundesbern genannt wird, sogar hörbar. Denn egal, wie sehr seine Gegner auf ihn losgehen: An Glarner bleibt nichts hängen.

«Daddy, du bist mal wieder zu weit gegangen», diesen Satz bekäme er dann jeweils von seinen Töchtern Tina (22) und Anja (20) zu hören. Dann weiss der Volksvertreter, dass es gerade gut läuft. Der Unternehmer, der mit Medizinalprodukten Millionär wurde, ernährt sich von Shitstorms und Empörungen.

Dieser Tage hat Andreas Glarner für sich ein kleines Festmahl angerichtet: Als erster Gang provozierte der Rechtsaussen-Politiker auf Facebook mit der Behauptung, Aargauer Schüler dürften keine Cervelats einpacken. Dies aus Rücksicht auf muslimische Gspänli.

Gestern folgte der zweite Gang: Glarner postete eine unverpixelte Namensliste einer Zürcher Schulklasse und vermerkte, die arme Heidi* werde keine Cervelats mitbringen dürfen. Der Grund in Glarners Augen: Ihre Schulgspänli haben ausländisch klingende Namen.

Doch der SVP-Nationalrat löschte die Liste. Entschuldigte sich, er sei «mit der Veröffentlichung der Klassenliste zu weit gegangen». Ihm sei nicht bewusst gewesen, dass er das Mädchen blossstellen könnte.

Fehler in der eigentlichen Sache aber gesteht er trotzdem keinen ein. Vorsorglich sammle seine Assistentin nun im Internet zugängliche Namenslisten von Schulklassen, als Absicherung, falls man ihren Chef wegen Verletzung der Persönlichkeitsrechte der Kinder anzeige.

Glarner ist Röstis Mann fürs Grobe

Provozieren ist Glarners politisches Werkzeug. Mit dem Segen der Parteileitung hat der Mann fürs Grobe bei der SVP dieses Werkzeug geschliffen. Zunächst als Gemeinderat, später als Grossrat und seit 2015 als Nationalrat politisiert der zweifache Vater dort, wo es schmerzt, aber legitim ist: Auf Stammtisch-Niveau. Glarner erinnere ihn sehr an alt Nationalrat Christoph Mörgeli (57), sagt SVP-Urgestein Ulrich Giezendanner (64). Er meint es als Lob.

«Ich habe keine Freude am Brüskieren», verteidigt sich Andreas Glarner. «Es macht mir aber Spass, den Finger in die Wunde zu legen. Die Wahrheit tut nun mal weh.»

Und so sorgt Glarner mal mit frauenfeindlichen Aussagen über das Aussehen linker Politikerinnen für einen Rechtsfall und für Zorn unter Feministinnen. Oder er hetzt gegen Juso-Chefin Tamara Funiciello (28). Sie hatte sich für eine politische Aktion des BHs entledigt.

In den Augen seines Chefs, SVP-Parteipräsident Albert Rösti (50), beweist der Aargauer damit «sehr guten Stil». Als SVP-Asylchef müsse eine Provokation hie und da drinliegen. «Zudem überlegt sich Herr Glarner sehr genau, was er tut und sagt.» Albert Rösti lässt Andreas Glarner an der langen Leine.

Denn Glarner ist Röstis grinsender Mann fürs Grobe. 2015 schaffte es seine Wohngemeinde Oberwil-Lieli AG dank ihm sogar als «flüchtlingsfeindlichstes Dorf der Schweiz» in die internationale Presse. Das reiche Dorf hatte sich zunächst geweigert, Flüchtlinge aufzunehmen.

Ungewöhnliche Freundschaft zum Flüchtlingshelfer

Doch so ganz mag die Lieblings-Hassfigur der Linken, der selbst in der Berichterstattung über ihn eine linke Verschwörung vermutet, nicht ins Feindbild-Schema zu passen.

Denn der Fahnenträger der Provokation provoziert sogar, indem er seine menschliche Seite zeigt. So reiste er 2016 auf Einladung des Schweizer Flüchtlingshilfswerks «Schwiizerchrüz» nach Griechenland und herzte ein Baby. «Wir müssen mehr helfen», sagte er tief bewegt.

Und er handelte. Oberwil-Lieli spendete 460'000 Franken an das Hilfswerk. «Dank Andreas Glarner und Oberwil-Lieli haben wir 1000 Flüchtlinge durch den Winter gekriegt», sagt «Schwizerchrüz»-Chef Michael Räber (42). Zwischen dem Flüchtlingshelfer und Glarner ist sogar eine Art Freundschaft entstanden. «Wir schätzen uns menschlich», sagt Glarner. Zuletzt reisten die beiden gemeinsam mit SVP-Chef Rösti im November nach Lesbos.

«Das Elend der Menschen dort wird mich mein Leben lang nicht loslassen», sagt Andreas Glarner. Er werde weiterhin aus eigener Tasche Räber unterstützen.

Denn auch Spenden ist für ihn ein Akt der Provokation: Aktuell spendet er 2000 Cervelats für Schweizer Schulkinder. Nach seinem Antrieb gefragt, sagt Glarner ohne Grinsen: «Ich muss die Schweiz und ihre Werte bewahren.»

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