SVP-Glarner kritisiert Links-Grün, SP-Badran den Kapitalismus
Wer ist schuld am Jelmoli-Aus?

Wer trägt Schuld an der Schliessung des Traditionskaufhauses Jelmoli an der Zürcher Bahnhofstrasse? Politikerinnen und Politiker aller Couleur wollen die Antwort auf diese Frage kennen. Die fällt je nach Standpunkt aber anders aus.
Publiziert: 07.02.2023 um 15:21 Uhr
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Aktualisiert: 07.02.2023 um 16:10 Uhr
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Seit Montag ist bekannt: Das Traditionswarenhaus Jelmoli an der Zürcher Bahnhofstrassen muss Ende 2024 die Türen schliessen.
Foto: keystone-sda.ch

Es war am Montag ein Schock für viele Zürcherinnen und Zürcher: Das wohl bekannteste Warenhaus der Schweiz, der Jelmoli an der Zürcher Bahnhofstrasse, schliesst Ende 2024 seine Türen. 850 Mitarbeiter verlieren ihre Stelle. Während zwei Jahren wird das Haus, das dem Immobilienunternehmen Swiss Prime Site (SPS) gehört, umgebaut. Danach wird die Verkaufsfläche um mehr als die Hälfte reduziert.

Das sorgt nicht nur bei Passantinnen und Passanten für Bestürzung. Auch Politikerinnen und Politiker zeigen sich auf Twitter betroffen – und schlachten die Kaufhaus-Schliessung politisch aus. Alle meinen, den Sündenbock zu kennen.

«Linksgrüne Stadtregierung ist schuld»

Für den Aargauer SVP-Nationalrat Andreas Glarner (60) ist klar, wem Jelmoli zum Opfer gefallen ist – nämlich der «cheiben» linksgrünen Stadtregierung!

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In den Kommentaren schlägt Glarner jedoch viel Häme entgegen. Viele User weisen darauf hin, dass das Problem vielmehr beim Kaufverhalten der Konsumentinnen und Konsumenten – Onlineshopping lässt grüssen – liege als bei der Stadtregierung. Andere meinen, die Schuld liege bei der Geschäftsleitung und deren schlechtem Wirtschaften.

Glarners Argumentation zieht übrigens auch bei (ehemaligen) Parteikollegen nicht. Michael Frauchiger (32), bis vor kurzem Präsident der Ortspartei Stadelberg ZH, der letzte Woche seinen Austritt aus der SVP bekannt gab, stellt auf Twitter die rhetorische Frage: «Seit wann wird die Swiss Prime Site AG von der linksgrünen Stadtregierung geführt?»

Und er bezeichet Glarner als «Nationalrat mit sehr wenig, sorry, keiner Ahnung». Erstaunlich: Die beiden Streithähne, die sich schon öfters auf Twitter angefeindet hatten, haben erst kürzlich das Kriegsbeil bei einem Glas Wein begraben.

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Der wahre Bösewicht? «Der Kapitalismus!»

Die andere Seite des politischen Spektrums schlägt naturgemäss ganz andere Töne an. Schuld sei nicht etwa die Stadtregierung, sondern das «globale börsenkotierte Kapital», wie die Zürcher SP-Nationalrätin Jacqueline Badran (61) auf Twitter kurz nach Glarner moniert.

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Das globale börsenkotierte Kapital der wahre Bösewicht? Auch hier zeigt sich Skepsis in den Kommentaren. «Die Zeit der Warenhäuser ist vorbei», schreibt jemand. Sie seien schlicht «aus der Zeit gefallen», ein «Relikt» und «von gestern», meinen andere.

Und: Glarner und Badran sollen «beide auf Instrumentalisierung verzichten».

Oder ist es doch das Kaufverhalten?

Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. In diesem Fall: Mitte-Präsident Gerhard Pfister (60). SVP-Glarner gebe «sofort Links-Grün die Schuld», SP-Badran «reflexartig dem Kapitalismus». Ganz der rationale Analytiker verweist Pfister darauf, dass das Unternehmen, also die SPS, auf das veränderte digitale Einkaufsverhalten der Kundschaft hingewiesen habe.

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Selbst Position beziehen will er allerdings nicht. Das kritisieren auch die Kommentierenden. Zwar bemängeln einige, dass eine objektive Einschätzung vonseiten SVP und SP fehle – die extreme Linke und die extreme Rechte würden an der Realität vorbeipolitisieren. Aber auch Mitte-Pfister ist nicht fein raus. Die Mitte sei eine «Fahne im Wind» und tue nichts, kommentiert jemand. «Und die Mitte ist wie immer im Sandwich und ratlos», ein anderer.

Die GLP, «die macht noch seriöse Politik»

Zum Glück gibts noch Alternativen zu SVP, SP und Mitte – nämlich die GLP! Die Zürcher GLP-Nationalrätin Barbara Schaffner (54) prangert prompt die Polemik von Links und Rechts an. Wer seriöse Politik wolle, so Schaffner, solle GLP wählen – und den Zürcher Regierungsratskandidaten Benno Scherrer (57) in den Regierungsrat. Man kanns ihr nicht verübeln: Am Sonntag sind in Zürich schliesslich Wahlen angesagt.

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Abgeklärte Twitter-User durchschauen auch dieses politische Spiel. Dass Wahlen seien, merke man, kommentiert jemand unter Schaffners Tweet. Und fügt an: «Es ist doch Kindergarten-Pingpong, was die Politiker im Moment abziehen.»

Das Wahljahr ist eingeläutet

Die Schweiz ist im Wahljahr angekommen: Jeder und jede versucht sich zu positionieren, zu profilieren – und möglichst politisches Kapital aus jeder Krise zu schlagen.

Wer nun aber für die Schliessung des Traditionskaufhauses Jelmoli verantwortlich ist – der Kapitalismus oder eben doch die linksgrüne Stadtregierung – das lässt sich abschliessend wohl nicht beantworten. Ein Twitter-User bemerkt jedoch: «Es geht in erster Linie um 850 Personen», diskutiert werde aber lieber über SVP und SP. Darauf wissen weder Vertreterinnen von links, rechts oder der Mitte eine Antwort. (bgs)

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