Studie zu Frauenlöhnen
Arbeitgeber sehen kaum Lohndiskriminierung

Die Unterschiede zwischen Frauen- und Männerlöhnen sind hoch, sagt der Bund. Stimmt nicht, widerspricht nun eine Studie des Arbeitgeberverbands. Doch deren Aussagekraft muss relativiert werden.
Publiziert: 13.06.2023 um 09:30 Uhr
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Aktualisiert: 13.06.2023 um 14:13 Uhr
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Valentin Vogts Arbeitgeberverband sieht nur geringe Lohnunterschiede zwischen Frau und Mann.
Foto: keystone-sda.ch
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Pascal TischhauserStv. Politikchef

Der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV) stellt den grösseren Firmen in Sachen Lohngleichheit ein gutes Zeugnis aus: Laut einer Untersuchung der Universität St. Gallen im Auftrag des SAV liegt die Lohndifferenz zwischen den Geschlechtern, die nicht erklärbar ist, lediglich bei 3,3 Prozent.

Erklärbar wäre sie beispielsweise, wenn eine Angestellte wegen der Geburt von zwei Kindern einige Jahre ausgesetzt hat und deshalb nicht über dieselbe Berufserfahrung verfügt wie ihr männlicher Kollege.

Der Bund sieht das anders

Nur: Die Studie widerspricht den Angaben des Bundes. Laut dem Bundesamt für Statistik (BFS) verdienen Frauen nämlich drastisch weniger als Männer. Im privaten Sektor lag die Lohndifferenz 2020 gemäss BFS bei 19,5 Prozent. Und laut dem Bund sind es gerade nicht die Kellnerinnen und Verkäuferinnen, die viel weniger verdienen – absolut wie prozentual –, sondern weibliche Angestellte bei Banken und Versicherungen, denen fast ein Drittel weniger aufs Konto überwiesen wird als den Männern. Der unerklärbare Teil der Differenz liegt im Privatsektor dabei bei 45,3 Prozent.

Auch der Arbeitgeberverband unter der Leitung des Ende Monat abtretenden Präsidenten Valentin Vogt (62) hat nur die Löhne im privaten Sektor angeschaut. Wer beim Bund, den Kantonen und Gemeinden arbeitet, wird somit in der Umfrage nicht berücksichtigt.

Es gilt zu relativieren

Einbezogen wurden zudem nur Betriebe, die hundert und mehr Beschäftigte zählen. Das macht Sinn, weil laut heute geltendem Gleichstellungsgesetz bloss die Arbeitgeber dieser Grösse verpflichtet sind, alle vier Jahre eine Lohnanalyse durchzuführen – wobei es für Lohnsünder keinerlei Sanktionen gibt.

Das BFS berücksichtigt die Hunderter-Grenze bei seiner Analyse nicht. Es führt sogar aus, dass die Lohnunterschiede in Betrieben mit weniger als 20 Beschäftigten am grössten seien. Das erklärt die unterschiedlichen Befunde zum Teil.

Die SAV-Studie berücksichtigt aber auch nur Firmen, die die Analyse mit dem Lohngleichheitsinstrument des Bundes (Logib) durchgeführt haben. Das ist erklärbar: So werden die Unternehmen vergleichbar.

Damit – und weil Angaben fehlten – konnte die Uni St. Gallen aber lediglich die Informationen von 461 Betrieben berücksichtigen.

Diskriminierung wird Kavaliersdelikt

Kommt hinzu: Logib beruht auf einer Selbstdeklaration der Betriebe. Zudem gibt es eine Toleranzschwelle von 5 Prozent. Heisst: Beträgt die Lohndiskriminierung nicht mehr als 5 Prozent, ist das ein Kavaliersdelikt, man drückt ein Auge zu und vergisst diese. Nur was darüber liegt, wird ausgewiesen.

So kommt die SAV-Studie zwar zum Schluss, dass 99,3 Prozent der berücksichtigten 461 Firmen – also 458 Unternehmen – sauber sind und nur drei Unternehmen nicht. Verzichtet man aber auf die willkürliche Toleranzgrenze, steigt der nicht erklärbare Lohnunterschied auf 8,3 Prozent an.

Auch Männer ziehen mal den Kürzeren

Dennoch bietet die Studie interessante Befunde:

  • In 124 von 130 Fällen verdienen zwar die Frauen weniger als die Männer, aber in 6 Fällen ziehen die Männer den Kürzeren.

  • Im Tessin soll die Lohndifferenz zwischen den Geschlechtern am geringsten sein. Aber dort wurden auch nur 23 Firmen untersucht. Die Aussagekraft ist sehr eingeschränkt.

  • In der Ostschweiz wurde bei 28 von 73 Unternehmen – also rund einem Drittel der Firmen – eine unerklärbare Lohndifferenz festgestellt. Der Osten der Schweiz bildet somit das Schlusslicht bei der Lohngleichheit. Auch hier ist die Gesamtzahl der Firmen aber so gering, dass die Frage nach der Repräsentativität gestellt werden darf.

  • Es gibt tatsächlich eine gläserne Decke für Frauen, die nur ganz wenige durchstossen: Bei Beförderungen in Kaderpositionen haben es Bewerberinnen viel schwieriger als ihre männlichen Kollegen.
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