Studie wirft neue Fragen auf
Aargauer Lehrer sollen doch nicht links sein

Drei Maturanten behaupteten, die Aargauer Kantonsschule seien zu links. Der Kanton hat eigens eine Studie durchführen lassen. Diese aber lässt Fragen offen.
Publiziert: 12.05.2023 um 16:48 Uhr
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Die Aargauer Mittelschulen weisen gemäss einer Umfrage «keine systemischen Defizite» bei der Einhaltung der politischen Neutralität auf.
Foto: imago images/Thomas Eisenhuth

Unterrichten die Lehrerinnen und Lehrer an der Aargauer Kantonsschule nicht politisch neutral? Diesen Vorwurf machten drei Jugendliche der Kanti Baden in ihrer Maturaarbeit. Der Aufruhr war gross, nicht nur im Kanton Aargau.

Der Kanton musste reagieren und liess selbst eine Studie verfassen. 65'740 Franken hat diese gekostet. Das Ergebnis: Grossmehrheitlich gehen die Aargauer Schülerinnen und Schüler gerne in die Kanti. Die Regierung ist zufrieden: «Insgesamt erkennt der Regierungsrat aufgrund der Resultate keine systemischen Defizite im Umgang mit der politischen Neutralität an den Kantonsschulen», heisst es in der Medienmitteilung. Doch es gibt auch Auffälligkeiten.

Falsche Fragen?

Die Maturanden waren zum Schluss gekommen, dass ein Drittel der Schülerinnen und Schüler den Unterricht als eher links geprägt wahrnahmen, vor allem in Geschichte, Geografie, Deutsch und Englisch. Zwei Drittel der Befragten hatten die Lehrpersonen zudem als «eher links» verortet.

In der Studie des Kantons wurde aber der Unterricht nicht nach einzelnen Fächern abgefragt, und auch die politische Haltung mussten die Lehrpersonen nicht preisgeben – im Unterschied zu den Schülerinnen und Schüler, die sich auf einer Skala von links nach rechts beschreiben mussten.

Politische Haltung der Lehrer war nicht der Auftrag

«Die durchgeführte Untersuchung hatte ganz klar nicht den Auftrag, die Unterrichtsgestaltung der Lehrpersonen zu evaluieren», sagt Sotomo-Forscherin Sarah Bütikofer. Ein Unterrichtsthema als solches könne zudem keiner politischen Haltung zugeordnet werden. «Sicherheitspolitik, Landwirtschaftspolitik, Sozialpolitik etc. werden aus den unterschiedlichen politischen Blickwinkeln ganz anders beurteilt.»

Die Maturaarbeit der drei Kantischüler habe eine wertvolle politische Diskussion angestossen, so Bütikofer weiter. Sie könne aber nicht als Grundlage oder als Vergleichsbasis für eine sozialwissenschaftliche Befragungsstudie dienen. Sotomo habe sich nämlich mit der Frage auseinandergesetzt, wie die verlangte politische und religiöse Neutralität von Lehrpersonen definiert werde. «Die Lehrpersonen geben unisono an, dass es ihnen wichtig ist, dass im Unterricht verschiedene Meinungen und Perspektiven geäussert werden.»

«Ziel war, ein Gesamtbild zu bekommen, ob der Unterricht politisch neutral gestaltet wird und die Meinungsfreiheit gewährleistet ist», erklärt auch der Kanton durch Mediensprecherin Simone Strub Larcher. Dass die Beauftragten von Sotomo andere Fragen gestellt haben, ist für sie kein Problem. «Wenn es Probleme mit der Neutralität im Unterricht in einzelnen Fächer gäbe, wäre das auch in diesem Forschungsdesign bekannt geworden.» Zudem stelle man die Lehrerinnen und Lehrer nicht nach Parteibuch ein. «Darum hätte eine Frage nach der politischen Selbsteinschätzung nichts gebracht.»

Grosse Unterschiede zwischen Lehrerinnen und Schüler

Die politischen Debatten bezeichnen sowohl Lehrer als auch Schülerinnen gleichermassen als «lehrreich», heisst es in der Studie. Aber: 65 Prozent der Lehrpersonen empfinden die politischen Debatten im Unterricht als tolerant – nur 35 Prozent Schülerinnen und Schüler teilen diese Meinung.

Entscheidend für diesen Unterschied sind Schülerinnen und Schüler, die sich politisch rechts positionieren. Sie empfänden die Debatten als weniger lehrreich, weniger engagiert, weniger tolerant. Dafür seien die Debatten ausgrenzender, finden sie im Vergleich zu Jugendlichen, die sich links verordnen. Schülerinnen und Schüler, die sich politisch rechts positionieren, litten bei politischen Diskussionen häufiger unter Gruppenzwang.

«Politische Einstellung der Lehrpersonen interessiert nicht wirklich»

Nur die Hälfte der befragten Schülerinnen und Schüler kann sich auf der Links-Rechts-Achse politisch verorten, wie aus der Umfrage hervorgeht. Knapp 30 Prozent stufen sich auf der linken Seite ein, zwei Drittel in der politischen Mitte und fünf Prozent rechts.

Für die Schüler ist wichtig, dass die Lehrpersonen sich fair verhalten und korrekt sind. «Die politische Einstellung der Lehrpersonen interessiert die Schülerschaft hingegen nicht wirklich», heisst es in der Studie.

Regierungsrat zufrieden

Der Regierungsrat gibt sich zufrieden und sieht keinen Handlungsbedarf. Die Studie soll aber genutzt werden, um sich mit der Debattenkultur an der Schule auseinanderzusetzen, so Bildungsdirektor Alex Hürzeler (57). Die hohen Unterschiede zwischen Schüler und Lehrerinnen seien «auffällig». «Der Umgang mit Minderheiten muss für eine Schule relevant sein und die Studie gibt wichtige Hinweise darauf, welche Personengruppen sich benachteiligt fühlen und warum.»

Anders tönt es bei der jungen SVP des Kanton Aargau. «Bürgerlich denkende Schüler werden diskriminiert und schikaniert!», sagt Parteileitungsmitglied Samuel Hasler. «Der Kanton muss handeln!» (bro/SDA)

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