Streit um grüne Landwirtschaft
Bürgerrat gegen Bauernverband

Der Bürgerinnenrat legt dar, wie eine nachhaltige Ernährungspolitik aussehen könnte. Eine Koalition von der FDP bis zu den Grünen unterstützt die Vorschläge.
Publiziert: 26.03.2023 um 10:00 Uhr
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Aktualisiert: 27.03.2023 um 15:54 Uhr
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Wie soll eine nachhaltige Schweizer Ernährungspolitik aussehen? Mit dieser Frage befasste sich ein Bürgerinnenrat (Symbolbild).
Foto: Getty Images/Cavan Images RF
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Camilla AlaborRedaktorin

Am Bauernverband kommt keiner vorbei – was dieser in der Frühlingssession erneut unter Beweis stellte: Sämtliche Anträge von SP, Grünen und Grünliberalen für eine umweltfreundlichere Agrarpolitik scheiterten.

Der Frust unter den Parlamentariern des Ökolagers ist gross, zumal man dort überzeugt ist, dass die Bevölkerung eine Neuausrichtung der Agrarpolitik wünscht. GLP-Präsident Jürg Grossen (53) verweist auf den sogenannten Bürgerinnenrat.
Das Gremium aus 80 Mitgliedern, die nach dem Zufallsprinzip aus der Wohnbevölkerung ausgewählt sind, befasste sich 2022 monatelang damit, wie eine nachhaltige Schweizer Ernährungspolitik aussehen soll. Der Gedanke dahinter: Konsumenten und Konsumentinnen in die Debatte einzubeziehen.

Lanciert haben das Projekt drei Umweltgruppen, finanziert wurde es unter anderem mit Geldern des Bundes, durchgeführt durch Collaboratio helvetica, eine gemeinnützige Organisation. Die Empfehlungen des Bürgerinnenrats fielen ganz im Sinne der Umwelt-Allianz aus.

So plädierten die Teilnehmenden für weniger Düngerimporte, weniger Nutztiere oder eine Förderung des Anbaus nachhaltiger Produkte. Allerdings hapert es bei solchen Wunschkatalogen meist an der Umsetzung. Wenn zum Beispiel die Reduktion des Tierbestands zu mehr Fleischimporten führt, ist damit – im Sinne der Nachhaltigkeit – wenig gewonnen.

Vorgehen nicht gegen Bauern

Dennoch sieht GLP-Chef Grossen die Empfehlungen als Beleg dafür, dass das Parlament in der Agrarpolitik an der Bevölkerung vorbeipolitisiert: «Bisher haben wir von den Bauernvertretern im Parlament nur gehört, was sie nicht wollen. Nun haben wir aus der Mitte der Gesellschaft konkrete Vorschläge für eine nachhaltige Landwirtschaftspolitik.»

Gemeinsam mit Vertretern von FDP, Mitte, SP und Grünen hat der Berner Oberländer deshalb mehrere Interpellationen eingereicht, um vom Bundesrat zu erfahren, wie er die Ergebnisse des Bürgerinnenrats in die künftige Agrarpolitik einbauen wird. «Wir wollen sicherstellen, dass die Empfehlungen des Rats und der Wissenschaft nicht unter den Tisch gekehrt werden», sagt Grossen.

Das Vorgehen richte sich nicht gegen die Bauern, betont Grossen. «Wir wollen zusammen mit den Landwirten eine Neuausrichtung der Agrarpolitik erreichen, welche die gesamte Wertschöpfungskette in die Pflicht nimmt.»

Just das hat auch der Bundesrat als Ziel ausgegeben: Die künftige Ernährungspolitik soll von der Bäuerin über die Verarbeiter und den Handel bis zum Konsumenten alle Akteure miteinbeziehen – und ökologischer werden. Unter anderem will die Regierung die tierfreundliche Produktion oder den nachhaltigen Konsum fördern.

Bauernverband einverstanden

Mit diesem Ziel ist auch der Bauernverband einverstanden. Vom Vorgehen der Grünliberalen und ihrer Alliierten hält Präsident Markus Ritter (55) trotzdem nichts. Der Bürgerinnenrat habe null Legitimation, so Ritter: «Es braucht neben dem Parlament und den verschiedenen Begleitgruppen des Bundes kein weiteres Gremium. Und schon gar nicht die Finanzierung eines solchen Projekts mit Steuergeldern.»

Den Bericht des Bürgerinnenrats habe man zur Kenntnis genommen, sagt der Mitte-Nationalrat und Biobauer. «Er ist enorm breit, wir konnten daraus nicht viel ziehen.» Für die politischen Vorstösse wiederum hat Ritter nur ein müdes Lächeln übrig. Dahinter stünden dieselben Organisationen wie beim Bürgerinnenrat, sagt er. «Sie möchten das wohl weitertreiben, um noch mehr Geld zu verdienen.»

Klare Worte also vom Chef des Bauernverbands. Falls Grossen eine Zusammenarbeit mit den Bauern ernsthaft anstrebt, müssen diese wohl einen grossen Schritt auf ihn zumachen – und er seine Hand erheblich weiter ausstrecken.

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