Vergangene Woche jubelte Aussenminister Ignazio Cassis (62) medienwirksam auf X. Er teilte auf der einstigen Twitter-Plattform mit, die Schweiz habe in einem Gefangenenaustausch zwischen den USA und Iran vermittelt. Von US-Präsident Joe Biden (80) gab es danach für die Schweiz ein diplomatisches Schulterklopfen: «Thank you, thank you!»
Der Deal sah wie folgt aus: Iran lässt fünf gefangene Amerikaner ausreisen. Im Gegenzug geben die USA fünf iranische Staatsangehörige frei. Und sie versprechen, dass Iran Zugang zu sechs Milliarden Dollar erhält. Geld, das aus iranischen Erdölgeschäften stammt – und seit 2018 auf südkoreanischen Konten blockiert ist.
Denn seit die USA 2018 wieder Sanktionen gegen Iran verhängten, ist das Land vom Swift-Netzwerk abgeschnitten. Heisst: Internationale Zahlungen sind für das Mullah-Regime nicht mehr möglich. Hier kommt nun die Schweiz ins Spiel.
Sechs Milliarden Dollar über Nationalbank transferiert
Unser Land vertritt seit der Geiselkrise von 1979 die Interessen der Amerikaner in Iran, weil die beiden Staaten keine diplomatischen Beziehungen mehr unterhalten. Die Schweiz gehört zudem zu einem erlauchten Kreis von Ländern, die noch immer Zahlungen nach Iran tätigen dürfen. Das sogenannte Swiss Humanitarian Trade Arrangement zielt vor allem auf humanitäre Lieferungen ab.
In ihrer Funktion als Brückenbauerin soll die Schweiz ihre Finger auch beim Transfer der freigegebenen sechs Milliarden Dollar im Spiel gehabt haben. Laut der Nachrichtenagentur Reuters, die sich auf südkoreanische Medien beruft, ist das Geld an die Schweizer Nationalbank (SNB) überwiesen worden. Dort sei es in Euro umgetauscht und später nach Katar weiter transferiert worden. Der Iran soll das Geld schliesslich von Katar beziehen können.
Die SNB äussert sich nicht zu ihrer Rolle bei der Freigabe dieser Gelder. Auch das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) gibt keine Kommentare ab. Und das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) schweigt ebenfalls zu den Aktivitäten der Schweiz im Rahmen ihrer Schutzmachtmandate.
Wofür werden die Gelder eingesetzt?
Für die Basler SP-Nationalrätin Sarah Wyss (35) ist dies Grund genug, vom Bundesrat nun Antworten zur Rolle der SNB im Transaktionen-Deal zu fordern. Sie hat im Rahmen der Herbstsession eine entsprechende Interpellation eingereicht.
Wyss will wissen, weshalb die SNB für die Islamische Republik einen Währungstausch vornimmt, ob diese Gelder tatsächlich für medizinische Güter vergewendet werden oder ob sie nicht direkt an den Repressionsapparat gehen.
Zwar heisst es vonseiten der USA, dass die freigegebenen Gelder nur für medizinische Güter eingesetzt werden können. Allerdings liess der iranische Präsident Ebrahim Raisi (62) bereits verlautbaren, dass die Gelder in die «heimische Produktion» investiert werden sollen.
Menschenrechtsaktivisten befürchten weitere Unterdrückung
Saghi Gholipour (39), Mitbegründerin von Free Iran Switzerland, befürchtet, dass das Regime die Repressionen gegen die iranische Bevölkerung mit den neuen Mitteln noch weiter verstärkt. Dass der Wille dazu bestehe, habe man am Jahrestag des Todes der jungen Kurdin Jina Mahsa Amini (†22) Mitte September feststellen können, als die Revolutionsgarde massive Präsenz zeigte.
Gholipour sagt weiter: «Alles Geld, das Iran erhält, läuft über die Revolutionsgarde. Diese steht an vorderster Front der gewaltsamen Unterdrückung von Protesten der iranischen Zivilbevölkerung. Sie fordert darum, dass die internationale Gemeinschaft Iran isoliert – und nicht wie kürzlich an der Uno-Generalversammlung in New York mit offenen Armen empfängt. «Das legitimiert nur das Regime», so die Menschenrechtsaktivistin.
Tatsächlich wäre es mehr als störend, wenn sich später zeigte, dass es nach der Zahlung über die Schweiz im Iran zu einer massiven Ausweitung der Repressionen kam.