Es war ein denkwürdiger Anblick an jenem Apriltag 2016: SVP-Nationalrat Roger Köppel (52) kritisiert Justizministerin Simonetta Sommaruga (57) am Mikrofon scharf und polemisch wegen der Ausweitung der Personenfreizügigkeit auf Kroatien. Dann kommt es zum Eklat: Die SP-Bundesrätin verlässt den Nationalratssaal, der linke Flügel der grossen Parlamentskammer folgt ihr (BLICK berichtete).
SP-Fraktionschef Roger Nordmann erklärte daraufhin: «Köppel hat einmal mehr eine Schreibtischentgleisung gehabt, einfach am Mikrofon», so der Waadtländer Nationalrat. Deshalb sei Sommaruga aufgestanden und gegangen.
An 364 Tagen im Jahr könne sie gut mit solcher Kritik umgehen
Dann die Erklärung von höchster Stelle: Nein, die spontane Aktion von Simonetta Sommaruga sei keine Reaktion auf Köppel, verkündete die damalige Nationalratspräsidentin Christa Markwalder (42). «Simonetta Sommaruga sass schon stundenlang im Nationalratssaal. Sie musste aufs WC», sagte die FDP-Frau. Damit machte sie die ganze Sache noch absurder – aus dem Köppel-Eklat wurde eine Pinkelposse.
Jetzt bringt Simonetta Sommaruga erstmals selbst Licht in die skurrile Bundeshaus-Geschichte: Kritik an ihrem Amt liege in der Natur der Sache, «und an 364 Tagen kann ich damit gut umgehen», sagt Sommaruga im TV-Studio, als die «Rundschau»-Journalisten Sandro Brotz (48) und Susanne Wille (43) sie zur Episode befragen. Und Sommaruga gibt dann zu: «Da gibt es vielleicht einen Tag, wo ich es ein bisschen weniger haben muss.»
Das Verlassen des Saals hatte also gar nichts mit menschlichen Bedürfnissen zu tun. «Auch eine Bundesrätin darf mal zeigen: Vielleicht ist jetzt dann mal gut gewesen – und reagiert dann», sagt Sommaruga.
Am Schluss sei ihr aber immer noch lieber, dass Kritik auf sie abziele «und nicht auf die Flüchtlinge, die hier sind». (vfc)