Bis 2050 ist die Schweiz klimaneutral: Wozu sich der Bundesrat bereits vor sechs Jahren bekannt hat, steht jetzt schwarz auf weiss im Gesetz. Mit 59 Prozent Ja-Stimmen hat die Bevölkerung das Klimaschutz-Gesetz am Sonntag deutlich angenommen.
Die grosse Frage ist nun: Wie lässt sich das Klimaziel auch wirklich erreichen? Selbst den Befürworterinnen und Befürwortern ist klar, dass die Schweiz allein mit den Massnahmen, die das Gesetz vorsieht, nicht im nötigen Tempo auf netto Null kommt. Lediglich die Elektro-, Gas- und Ölheizungen durch klimafreundlichere Alternativen zu ersetzen, reicht nicht. Das Ja-Komitee nimmt die Politik in die Pflicht: «Parlament und Bundesrat müssen jetzt handeln.»
Einer, der eine ganz genaue Vorstellung davon hat, was zu tun ist, ist Bertrand Piccard (65). Der Waadtländer flog als erster Mensch in einem Ballon um die Welt und umrundete die Welt von 2015 bis 2016 erneut in einem Solarflugzeug. Heute engagiert sich der Abenteurer mit seiner Stiftung Solar Impulse für den Klimaschutz. Er feiert das Ja als «Sieg der Vernunft».
Gemeinsam mit Fachpersonen und Juristen hat der Solarpionier einen Klimaplan für die Schweiz ausgearbeitet. Dieser enthält über zwei Dutzend Vorschläge für Massnahmen zum Klimaschutz.
Die spannendsten in der Übersicht:
Verkehr
Aus Benziner mach Elektroauto: Weil der Kauf eines neuen Autos teuer ist, schlägt Piccard vor, bei bestehenden Autos den Verbrennungsmotor mit einem Elektroantrieb zu ersetzen. Dafür solls vom Bund Umrüstungsprämien geben. Das sei nicht nur billiger, sondern so könne man auch das Klimaziel schneller erreichen, ist der Solarpionier überzeugt.
Klimaschutz auf der Strasse
Die Batterien der Elektroautos können zudem dazu eingesetzt werden, das Stromnetz zu stabilisieren. So gibt es Ladestationen, die nicht nur die Autobatterie laden, sondern zu Spitzenzeiten auch Strom ins Netz einspeisen können.
Es sind Forderungen, die im Parlament schon diskutiert wurden. Der Bundesrat prüft sie.
Energie
National- und Ständerat wollen die Geothermie fördern. Was die Politik bisher noch nicht wirklich auf dem Radar hat: Man muss dafür nicht tief bohren. Auch mit Tiefgaragen und Tunnels lassen sich Gebäude heizen. Panels an den Betonwänden können die Wärme im Winter im Untergrund aufnehmen und speichern – und im Sommer helfen sie umgekehrt bei der Kühlung. Erste solcher Projekte gibt es in der Schweiz bereits. Geht es nach Piccard, soll es davon bald viel mehr geben.
Bauen und Wohnen
Beim Duschen liesse sich relativ einfach viel Energie sparen. Die in der Duschkabine entstehende Wärme kann genutzt werden, um das nachfliessende kalte Wasser vorzuwärmen. Damit kann man bis zu 60 Prozent Energie fürs Warmwasser sparen. Bertrand Piccard schwebt vor, dass der Bund Hausbesitzer künftig verpflichtet, solche Wärmerückgewinnung zu nutzen.
Ein viel grösseres Sparpotenzial gibt es beim Bau und der Sanierung von Gebäuden. Der Bund soll Umweltkriterien bei der öffentlichen Ausschreibung von Bauprojekten stärker gewichten, fordert der Umweltschützer. Im Parlament steht derzeit zur Debatte, das Beschaffungsrecht entsprechend zu verschärfen.
Infrastruktur
Sparpotenzial gibts auch bei der Strassenbeleuchtung. Piccards Stiftung fordert einen vollständigen Umstieg auf LED- oder andere energiesparende Lampen bis 2028. Ausserdem schlägt sie die Installation von Bewegungsmeldern vor. Allerdings macht die Strassenbeleuchtung nur 0,7 Prozent des gesamten jährlichen Stromverbrauchs der Schweiz aus.
Landwirtschaft und Ernährung
Solaranlagen lassen sich nicht nur auf Hausdächern, sondern auch auf Äckern montieren. Die Panels dienen dann gleich als Hagelschutz oder für ein besseres Klima auf dem Feld. Solche Anlagen gibt es bereits. Piccard möchte sie künftig zusätzlich subventionieren, um diese Art der Energiegewinnung weiter zu fördern.
Potenzial sieht er aber nicht nur am Anfang der menschlichen Nahrungskette, sondern auch am Ende. So sieht Piccards Klimaplan auch vor, dass weniger Einweggeschirr aus Plastik verbraucht wird. In der EU sind bereits mehrere Einwegprodukte verboten. In der Schweiz sollen ein vollständiges Verbot ab 2030 gelten, fordert der Klimaschützer.
Für Piccard steht fest, dass das Gesetz der Schweiz die Chance bietet, sich zu modernisieren. Die von ihm vorgeschlagenen Massnahmen würden zeigen, dass Lösungen existierten. Sie müssen aus seiner Sicht nur umgesetzt werden.