Überflutete Wohnungen, verschüttete Bahnlinien, zerstörte Autos: Die Unwetter, die in den vergangenen Tagen die Schweiz heimsuchten, richteten riesige Schäden an. Eins hätten sie vielleicht aber verhindern können: das knappe Scheitern des CO₂-Gesetzes an der Urne. Mit 51,6 Prozent Nein-Stimmen hat die Stimmbevölkerung das Gesetz, mit dem die Schweiz ihre Klima-Ziele hätte erreichen wollen, vor zwei Wochen bachab geschickt.
«Hätte die Abstimmung nach dem Unwetter stattgefunden, wäre das CO₂-Gesetz wahrscheinlich angenommen worden», sagt Politikwissenschaftler Lucas Leemann (40) Unmittelbar nach einer Überschwemmung sei die Unterstützung für klimaschonende Vorlagen erhöht.
Ja-Anteil stieg um 2,3 Prozent
Leemann forscht an der Universität Zürich und hat sich in einem Forschungspapier mit einem Kollegen mit der Frage beschäftigt, wie Umweltereignisse das Abstimmungsverhalten der Schweizer Stimmbevölkerung beeinflussen. Dazu analysierte er in jeder Gemeinde, wie die Bewohnerinnen und Bewohner zu Klimavorlagen abstimmten, nachdem es vor Ort zu Überschwemmungen oder sonstigen Umweltereignissen gekommen war. Dies verglich er dann mit dem üblichen Stimmverhalten.
Das Ergebnis: «Der Ja-Anteil für Klimavorlagen stieg in den Gemeinden um durchschnittlich 2,3 Prozent», sagt Leemann. «Eine Überschwemmung veranschaulicht die Dringlichkeit des Problems», und das könne Wähler zum Umdenken animieren.
Unwetter sind wie ein Wecker
Aber nicht nur das: Durch solche Umwelteinflüsse würden auch Leute an die Urne gehen, die ihre Stimme vorher nicht abgegeben hätten. «Wenn so etwas passiert, ist das wie ein Wecker», sagt Leemann. Dieser Sinneswandel könne auch Wähler ansprechen, die gar nicht in einer Gemeinde leben, in der es zu Überschwemmungen kam: «Sobald dann Medien darüber berichten und sie es in den Klima-Kontext bringen, wird es zu einer öffentlichen Diskussion», sagt der Politikwissenschaftler. Und so kann ein heftiges Unwetter nicht nur Bäume, sondern auch Meinungen zum Kippen bringen.