Zwischen Ärztinnen und Ärzten und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) herrscht dicke Luft. Das Amt verdächtigt über 250 Mediziner, in der Corona-Pandemie zu viel Bundesgelder kassiert zu haben. Viele Betroffene sind perplex und sauer. Sie sind überzeugt, nichts Falsches getan zu haben. Als Dank für den Sondereffort, den man in der Krise geleistet habe, werde man nun unter Generalverdacht gestellt, werfen die Ärzte dem Bund vor.
Stein des Anstosses sind die Corona-Tests. Für diese erhielten die Ärzte je nach Aufwand unterschiedlich viel vergütet. Wer nicht nur rasch einen Abstrich vornahm, sondern zuerst noch eine kurze Untersuchung machte oder ein Gespräch mit dem Patienten führte, konnte 22.50 Franken mehr abrechnen. Das BAG glaubt, dass ein Teil der Ärzte solche Beratungsgespräche verrechnet hat, ohne sie wirklich geführt zu haben.
Es droht ein Strafverfahren
Anfang März haben alle Ärztinnen und Ärzte sowie Testzentren, die bei über 60 Prozent der Tests mehr als nur den Abstrich in Rechnung gestellt haben, ein Schreiben vom Bund erhalten. Er will eine «verbindliche Bestätigung» von den Medizinern, dass sie alles korrekt abgerechnet haben. Die Angaben will man stichprobenweise überprüfen. Wer Falschaussagen macht, dem droht ein Strafverfahren.
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Man begrüsse, dass das BAG seine Aufsichtsfunktion wahrnehme, stellt Yvonne Gilli (66), Präsidentin des Ärztinnen- und Ärzteverbands FMH, klar. «Wir wollen niemanden schützen, der bewusst falsch abgerechnet hat.»
FMH reagiert mit Taskforce
Doch das Vorgehen des Bundes goutieren die Ärzte nicht. Der Missbrauchsvorwurf des BAG sei «unangebracht», teilt der Luzerner Ärzteverband mit. Es sei absolut unrealistisch, dass vier Prozent aller Ärztinnen und Ärzte, die Covid-Tests durchgeführt haben, absichtlich zu viel verrechneten, sagt Gilli. So viele sind es, die vom BAG Post bekommen haben.
Aus Sicht der Ärzte ist es gut möglich, dass in einigen Praxen bei fast zwei Dritteln der Corona-Tests ein Beratungsgespräch stattfand. Schliesslich seien es oftmals Risikopersonen, Erkrankte und Patienten mit Fragen gewesen, die bei einem Corona-Verdacht zu ihrem Hausarzt statt in ein Testzentrum gingen.
Die FMH hat eine Taskforce ins Leben gerufen. Man stehe mit dem BAG in Kontakt, um offene Fragen zu klären und so viele unbescholtene und verunsicherte Ärzte zu unterstützen, sagt Gilli. Um welche Beträge es geht, die der Bund zurückfordert, ist unklar. Das BAG und auch die Ärzteverbände wollen dazu auf mehrfaches Nachhaken keine konkreten Angaben machen.
BAG verteidigt sich
Das BAG teilt mit, dass sich schon «diverse Leistungserbringer» bereiterklärt hätten, die Forderung zurückzuzahlen: «Eine erste Rückzahlung ist bereits beim BAG eingegangen.» Beim Bund versteht man die Aufregung der Ärzteschaft nicht. «Das BAG hat dafür zu sorgen, dass keine falsch abgerechneten Konsultationen in Zusammenhang mit den Covid-19-Tests in Rechnung gestellt werden. Das erwartet auch die Bevölkerung von den Behörden», sagt Sprecher Daniel Dauwalder. Darum überprüfe man Verdachtsfälle konsequent.
Die Ärztegesellschaften rufen ihre Mitglieder derweil dazu auf, vorerst nicht auf den Brief des Bundes zu reagieren. Man hofft, bis in einem Monat eine Lösung gefunden zu haben. Auch für das BAG steht einiges auf dem Spiel. «Wenn das die Art ist, wie man mit uns umgeht, werde ich unseren Mitgliedern in einer nächsten Notsituation wohl empfehlen, lieber keinen Extra-Effort zu leisten», sagt der Präsident eines kantonalen Ärzteverbands enttäuscht.